Der Winter war lang und hart. Der Wolf hatte kaum etwas zu fressen gefunden und war bereits sehr abgemagert. Seine Kräfte ließen langsam nach und so schleppte er sich ermattet durch seinen Tag. Eine Dogge hatte sich von der Leine losgerissen und war ihrem Besitzer fortgelaufen. Nun lief sie streunend und ein wenig orientierungslos umher.
Der Wolf erblickte die ahnungslose Dogge und wollte sie sogleich anfallen und auffressen. Doch die Dogge war kräftig gebaut. Sie knurrte in ihrer tiefsten Tonlage und fletschte dabei die Zähne. Das erschreckte den Wolf und er dachte bei sich, dass er für den Kampf mit der Dogge vielleicht doch zu schwach sein könnte. Er setzte ein falsches Lächeln auf und begrüßte die streunende Dogge: „Guten Tag, liebe Dogge, wie gut Du aussiehst. Du bist gut genährt, kräftig, gesund und Dein Fell glänzt wunderbar. Verrate mir doch bitte, wie Du es schaffst, so leicht durch den eisigen, langen Winter zu kommen!“
Die Dogge, die ein wenig eitel war, fühlte sich von den Worten des Wolfes geschmeichelt und antwortete: „Ja, Du armer Hungerleider, Dich hat der Winter ausgezehrt. Du siehst wirklich elend und erbärmlich aus. Aber Du bist selbst schuld an Deiner schlimmen Situation. Meine Vorfahren waren genauso dumm, wie Du es bist. Sie verbrachten ihr Leben in der Wildnis, wo sie sich auch durch den Winter schlagen mussten. Viele von ihnen litten an Unterernährung und starben vor lauter Hunger. Ich jedoch bin klüger als meine Vorfahren und führe ein sehr komfortables Dasein. Die Dogge hob arrogant ihren großen Kopf und sprach zu dem abgemagerten Wolf. Komm mit mir nach Hause, dann wirst Du meinen Herrn einmal kennenlernen. Er ist ein wahrer Freund. Er wirft mir das Stöckchen und dann freut er sich, wenn ich es ihm bringe. Dafür füttert er mich mit frischem Fleisch und stellt mir einen Becher Milch vor die Schnauze!“ Der Wolf fragte skeptisch: „Tut er das wirklich nur, weil er Dich mag, oder musst Du ihm dafür dienen?“ Der Wolf war neidisch und wollte auch das bequeme Leben einer Dogge führen.
Die Dogge erwähnte beiläufig: „Nun ja, ich passe auf sein Haus und seine Kinder auf. Morgens laufe ich zur Bäckerei und hole den Korb mit den frischen Backwaren ab. Wenn mein Herr es möchte, hole ich auch die Zeitung und lasse mich dafür von seiner Ehefrau kraulen. Dafür belohnt mich mein Herr wieder mit vielen erlesenen Leckerbissen!“ „Bitte, liebe Dogge“, flehte der Wolf, „nimm mich mit zu Dir nach Hause, dann können wir beide Deinem Herrn dienen und uns die fetten Happen teilen!“ Der Hund wedelte hochmütig mit dem Schwanz und ging mit dem Wolf weiter in Richtung Heimat.
Als die beiden Tiere so liefen, fragte der Wolf die Dogge: „Sag mal, was ist das für ein Ding, das Du um Deinen Hals gebunden hast?“ Der Hund antwortete so nebenbei: „Ach das da, das ist ein feines Geschenk meiner Herrschaft, das mich schmücken soll! Wenn mein Herr mit mir Gassi gehen möchte, dann bindet er eine Leine daran, sodass er mich daran hinführen kann, wohin er möchte!“ Das machte den Wolf stutzig.
Als die Dogge weitererzählte, dass ihr Herr den Hund in der Nacht an eine Kette legt, damit er das Haus bewachen soll, wurde der Wolf noch skeptischer. Er fragte die Dogge: „Ist das wahr, Du kannst nicht frei herumlaufen und hingehen wohin Du willst? Und dabei tust Du einfach so, als wäre es gar nichts. Es macht Dir nichts aus, wenn Du bei Deinem Herrn gefangen gehalten wirst. Ich verstehe nicht, wie Du Dich auf so etwas einlassen kannst. Dein Herr könnte mir das beste Fleisch und die frischeste Milch vorsetzen, auf meine Freiheit würde ich niemals verzichten!“ Der Wolf verabschiedete sich noch kurz von der Dogge und lief wieder zurück in den Winterwald.
Aufgaben zur Fabel
1.Fülle die Lücken der Moral von der Fabel.
Der Preis für das ________________ Leben war dem ________________ zu hoch. Er wollte sich nicht für ein bequemes Leben an einen ________________ verkaufen!
2.Beantworte fünf Fragen zur Fabel „Der Wolf und die Dogge“.
a)Warum sah der Wolf so verhungert aus?
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b)Woher kam die Dogge, als sie dem Wolf begegnete?
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c)Was erzählte die gut genährte Dogge über ihren Herrn?
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d)Welche Dienste musste die Dogge für ihren Herrn verrichten?
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e)Warum ging der Wolf zurück in den Wald?
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3.Beschreibe die Eigenschaften der Dogge.
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