Das armselige Häuslein stand frierend in einer Baulücke zwischen
zwei Mietsgebäuden wie ein Kinderfuß in den zu großen Pantoffeln
des Vaters. Schon allein das Gebäude sah hoffnungslos überfordert
aus, was auch daher rühren mochte, dass irgendein Holzkopf auf die
Idee gekommen war, der furchtbaren Klitsche einen Namen zu geben
und ihn in großen, obendrein zeitlos hässlichen Buchstaben auf die
Fassade zu schrauben: »Carl-Arthur Bühring-Haus« stand darauf, es
wirkte insgesamt, als hätte man einen Kinderschwimmring auf den
Namen »Herzog von Friedland« getauft. »NPD-Parteizentrale« stand
auf dem Klingelschild, so klein, dass man es Feigheit vor dem Feinde
nennen musste. Es war unglaublich, es war wie in der Systemzeit: Der
völkische Gedanke, die nationale Sache wurde erneut durch
irgendwelche Hohlköpfe entehrt, entwertet, lächerlich gemacht. Ich
drückte wutentbrannt auf die Klingel, und als sich nicht rasch genug
etwas tat, drosch ich mehrfach mit der Faust dagegen. Die Tür öffnete
sich.
»Sie wünschen?«, fragte ein pickeliges Jüngelchen mit einem
irritierten Gesichtsausdruck.
»Was glauben Sie wohl?«, fragte ich kalt.
»Haben Sie eine Drehgenehmigung?«
»Was ist denn das für ein grauenhaftes Gewinsel?«, herrschte ich
ihn an. »Seit wann versteckt sich eine nationale Bewegung hinter
derlei welschen Winkelzügen!« Ich drückte die Tür energisch auf.
»Gehen Sie mir aus dem Weg! Sie sind eine einzige Schande für das
deutsche Volk! Wo ist Ihr Vorgesetzter?«
»Ich – Moment – warten Sie – ich hole jemanden …«
Das Jüngelchen verschwand und ließ uns in einer Art
Empfangsraum zurück. Ich sah mich um. Das Haus hätte einen
Anstrich brauchen können, es roch nach kaltem Rauch. Einige
Parteiprogramme lagen herum, mit idiotischen Slogans. »›Gas
geben‹« stand auf einem, in Anführungszeichen, als solle man in
Wirklichkeit gar kein Gas geben. »Millionen Fremde kosten uns
Milliarden« stand auf einem Aufkleber – wer dann die Patronen und
Granaten für die Truppe fertigen sollte, wer dann für die Landser die
Bunker ausheben würde, stand da natürlich auch nicht. Das
Jüngelchen jedenfalls, das ich gesehen hatte, wäre an der Schaufel
genauso wenig zu gebrauchen gewesen wie im Felde.
Ich habe mich in meinem Leben noch nie derart für eine nationale
Partei geschämt. Bei dem Gedanken, dass all dieses die Kamera
filmte, musste ich mich zusammenreißen, damit mir keine Tränen der
Wut aus den Augen rannen. Für dieses Gesindel hatte sich Ulrich Graf
nicht mit elf Kugeln zusammenschießen lassen, von Scheubner-
Richter war damals nicht unter den Schüssen der Münchner Polizei
gefallen, damit solche Lumpen in ihren verwahrlosten Buden mit dem
Blut verdienter Männer Schindluder trieben. Ich hörte das Bübchen
vom Nebenzimmer ratlos in einen Telefonapparat hineinstammeln. Die
Kamera zeichnete alles auf, die ganze Unbeholfenheit, es war so
bitter – aber es ging wohl nicht anders, als dass man einmal diese
Jauchegrube ausmistete. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus, ich
ging zornbebend in den Nebenraum.