Das Erste, was ich sah, war ein großer Schriftzug in
frakturgeschriebenen Buchstaben, man las das Wort »Heimseite«. Ich
griff sofort zum Telefon und rief Sawatzki an.
»Und? Schon gesehen?«, fragte er. Und ohne eine Antwort
abzuwarten, jubelte er: »Ist gut geworden, was?«
»Heimseite?«, fragte ich. »Was soll das denn sein? Um welches
Heim handelt es sich?«
Sawatzki verstummte in der Leitung.
»Na, wir können doch Ihre Seite nicht ›Homepage‹ nennen …«
»So?«, fragte ich. »Wieso denn nicht?«
»Der Führer kann doch keine Fremdworte …«
Ich schüttelte energisch den Kopf: »Sawatzki, Sawatzki, was wissen
Sie denn vom Führer? Dieses verkrampfte Deutschtum ist das
Schlimmste, was man tun kann. Sie dürfen Blutreinheit nicht mit
mentaler Abschottung verwechseln. Ein Homepage ist natürlich ein
Homepage, machen Sie sich nicht lächerlich! Man nennt einen Tank
doch auch nicht fahrbares Kettengeschütz, nur weil’s die Engländer
erfunden haben.«
»Eine Homepage«, verbesserte mich Sawatzki, »ist ja gut. Ich
kümmere mich drum. Wie gefällt’s Ihnen denn sonst?«
»Ich bin noch nicht so weit«, meinte ich und schubste das
Mausgerät neugierig weiter über den Tisch. Am anderen Ende der
Leitung klapperte Sawatzki in seine Tastatur. Plötzlich stand auf
meinem Bildschirm ein großes »Homepage«. »Hm«, sagte er, »so gibt
das irgendwie keinen Sinn mehr. Warum sollte man ›Homepage‹ in
dieser alten Schrift schreiben?«
»Warum müssen Sie auch alles so kompliziert machen«, tadelte ich,
»machen Sie doch einfach ›Führerhauptquartier‹ daraus.«
»Sagen Sie nicht immer, Sie wären derzeit nicht der
Oberbefehlshaber der Wehrmacht?«, fragte Sawatzki fast etwas
spöttisch.
»Gut aufgepasst«, lobte ich. »Aber das ist hier doch symbolisch.
Wie bei meiner E-Mail-Adresse. Ich bin ja auch nicht die neue
Reichskanzlei.« Dann legte ich auf und machte mich an die weitere
Erkundung meiner Seite.
Eine Leiste verlief quer darüber, auf der man mit dem Mausgerät
bestimmte Abteilungen betrachten konnte. Eine hieß »Neueste
Meldungen«, wo wir künftig Neuigkeiten zu verkünden gedachten und
wo es bislang noch etwas leer war. Dann kam die »Wochenschau«,
wo für den Besucher meine bisherigen Auftritte in einem kleinen
Fensterlein als Film aufgeführt wurden. Dann eine ausführliche
Biografie von mir, die den Zeitraum von 1945 bis zu meiner
Wiederkehr als »Nicht-Unternehmen Barbarossa« bezeichnete.
Sawatzki hatte das vorgeschlagen, ich hatte durchaus gelacht bei dem
Gedanken, ich hätte zwischenzeitlich wie der große Kaiser in einer Art
Kyffhäuser geschlafen. Andererseits konnte ich zur verstrichenen Zeit
auch keine näheren oder besseren Angaben machen, insofern hatte
ich der Verwendung zugestimmt. Eine weitere Abteilung lautete:
»Fragen Sie den Führer!«, sie sollte der Kommunikation zwischen mir
und meinen Anhängern dienen. Neugierig sah ich nach, ob denn
bereits eine Frage eingegangen war. In der Tat hatte mir ein Herr
geschrieben: