Es war ein schöner kleiner Erfolg, als mich die junge Dame am
Hotelempfang zum ersten Male mit dem Deutschen Gruß empfing. Ich
war auf dem Wege zum Frühstücksraum, und während ich ihren Gruß
mit zurückgeklapptem Arme erwiderte, ließ sie ihren Arm bereits
sinken.
»Das kann ich auch nur machen, weil Sie so spät aufstehen und die
Halle grade leer ist«, zwinkerte sie mir lächelnd zu, »also verraten Sie
mich nicht!«
»Ich weiß, die Zeiten sind schwierig«, sagte ich mit gedämpfter
Stimme, »noch! Aber es kommt die Zeit, da auch Sie wieder mit
erhobenem Haupte zu Deutschland stehen können.« Dann ging ich
zügig in den Frühstücksraum.
Nicht alle Bediensteten hatten die Zeichen der Zeit so klarsichtig
erkannt wie die junge Dame an der Rezeption. Es wurden keine
Hacken zusammengeschlagen, und der Gruß blieb allgemein bei
einem nichtssagenden »Guten Morgen«. Andererseits waren die
Blicke weit weniger reserviert als zuvor, seit ich vermehrt zum Tragen
von Anzügen übergegangen war. Es war in diesem Zusammenhange
ein wenig wie in der Systemzeit, dem Wiederanfang nach meiner
Haftentlassung, es galt auch hier von ganz unten erneut zu beginnen,
mit dem Unterschied, dass sich der Einfluss und die Gepflogenheiten
des verweichlichten Bürgertums tiefer in das Proletariat
hineingefressen hatten – mehr noch als damals hatte zunächst der
Schafspelz bürgerlicher Kleidung zur Vertrauensbildung beizutragen.
In der Tat konnte ich so morgens mein Müsli, meinen Orangensaft mit
Leinsamenschrot zu mir nehmen und dabei an den Blicken eine
restlose Anerkennung meiner bisherigen Leistungen spüren. Ich erwog
gerade, aufzustehen und mir noch einen Apfel zu holen, als ich die
Walküren reiten hörte. Mit einer souveränen Bewegung, die ich mir bei
einigen jungen Geschäftsleuten abgesehen hatte, holte ich den
Telefonapparat hervor und an mein Ohr.
»Hitler!«, sagte ich mit einer vorbildlich dezenten Stimme.
»Haben Sie heute schon die Zeitung gelesen?«, fragte ansatzlos die
Stimme der Dame Bellini.
»Nein«, sagte ich, »wieso?«
»Dann schauen Sie sich’s an. Ich rufe Sie in zehn Minuten wieder
zurück!«
»Moment«, sagte ich, »was soll das heißen? Von welcher Zeitung
reden wir überhaupt?«
»Von der mit Ihrem Bild vorne drauf«, sagte die Dame Bellini.
Ich stand auf und ging zu dem Stapel mit den Zeitungen. Dort lagen
einige Exemplare jener »Bild«-Zeitung. Und vorne war ein Foto von
mir abgebildet unter der Überschrift: »Irrer Youtube-Hitler: Fans feiern
seine Hetze!«
Ich nahm die Zeitung mit zurück zu meinem Platz und setzte mich.
Dann begann ich zu lesen.