Nach einem ähnlichen Prinzip geißelte ich nun, was immer ich selbst
oder in den Presse-Erzeugnissen wahrgenommen hatte. Vergiftete
Lebensmittel, Autofahrer, die während des Führens ihres Fahrzeuges
mit dem mobilen Apparat telefonierten, die barbarische Unsitte der
Jägerei und dergleichen mehr. Und das Verblüffende war: Die
Menschen forderten entweder drakonische Strafen oder, was
wesentlich häufiger der Fall war, sie wagten es nicht, offen zu
sprechen. Bei einer Gelegenheit war dies besonders ersichtlich. Denn
hier hatten sich etliche Menschen bereits in der Innenstadt
versammelt, um die Regierung zu kritisieren. Nachdem die
naheliegende Lösung, nämlich Schlägertrupps, offenkundig derzeit
niemandem mehr einzufallen schien, hatte man aber doch wenigstens
eine Art Marktstand errichtet, um Unterschriften zu sammeln, die
letzten Endes die beeindruckend hohe Zahl von 100000 Abtreibungen
pro Jahr in Deutschland verhindern sollten.
Eine derartige Massenermordung deutschen Blutes ist
selbstverständlich auch für mich nicht hinnehmbar – jeder Kretin
konnte sofort sehen, dass dies bei 50 Prozent Buben mittelfristig zum
Ausfall von drei Divisionen führen würde. Wenn nicht von vier.
Allerdings mochte sich in meiner Gegenwart plötzlich keiner dieser
braven, anständigen Menschen mehr zu seiner Gesinnung bekennen,
und kurz nach unserem Eintreffen wurde die Aktion dann auch
komplett abgebrochen.
»Was sagt man dazu?«, fragte ich Bronner. »Diese armen
Menschen sind wie ausgewechselt. So viel zu dieser sogenannten
Meinungsfreiheit.«
»Wahnsinn«, staunte Bronner, »das lief ja noch besser als die
Sache mit den Hundehaltern gegen Leinenzwang!«
»Nein«, sagte ich, »das haben Sie falsch verstanden. Das bei den
Hundehaltern, das waren keine anständigen Menschen, die sich da
aus dem Staube gemacht haben. Das waren alles Juden. Haben Sie
denn die Sterne nicht gesehen? Die wussten gleich, mit wem sie es zu
tun hatten.«
»Das waren doch keine Juden«, wandte Bronner ein, »in den
Sternen stand doch nicht ›Jude‹. Da stand ›Hund‹.«
»Das ist typisch für den Juden«, klärte ich ihn auf. »Nur Verwirrung
stiftet er. Und auf den Flammen der Ratlosigkeit kocht er dann seine
schmierige Giftsuppe.«
»Das ist doch …«, schnaufte Bronner, und dann lachte er. »Sie sind
wirklich unglaublich!«
»Ich weiß«, sagte ich. »Sind eigentlich die Uniformen für Ihre
Kameraleute schon da? Die Bewegung muss künftig einheitlich
auftreten!«
In der Produktionsfirma wurden unsere Enthüllungen mit großer
Begeisterung aufgenommen. »Sie könnten offenbar sogar einen
Pfarrer zum Atheisten bekehren«, lachte die Dame Bellini bei der
Sichtung des Materials.