»Wie? Was? Sie sind Gold wert, mein Lieber! Das ist erst der
Anfang, glauben Sie mir.«
»Trotzdem müssen Sie die Leute alle bezahlen!«
»Welche Leute?«
»Ich war ja eine Zeit lang selbst Propagandabeauftragter. Und ich
weiß: Um 700000 Leute auf seine Seite zu ziehen – da braucht man
doch zehntausend Mann. Wenn sie fanatisch sind.«
»Zehntausend Mann? Was für zehntausend Mann?«
»Zehntausend Mann SA, theoretisch. Und das ist noch vorsichtig
geschätzt. Aber eine SA haben Sie ja wohl noch nicht, oder? Also
werden Sie wohl mindestens fünfzehntausend brauchen.«
»Sie sind vielleicht ein Vogel«, dröhnte Sensenbrink in bester
Stimmung. Ich war nicht sicher, ob ich im Hintergrund ein Gläserklirren
hörte. »Passen Sie auf, eines Tages nimmt Sie noch einer ernst!« Und
damit legte er auf.
Das schien somit geklärt. Offenbar hatte Sensenbrink wirklich nichts
damit zu tun. Diese Zustimmung schien aus dem Volk selbst zu
kommen. Es konnte natürlich noch sein, dass Sensenbrink ein
hemmungsloser Lügner war, ein Blender, diese Zweifel blieben, das ist
eben das Ärgerliche mit Leuten, die man sich nicht selbst ausgesucht
hat. Aber insgesamt schien er mir bei solchen Themen glaubwürdig.
Also machte ich mich an die Produktion des nötig gewordenen
Zusatzmaterials.
Wie immer, wenn Menschen kreativ überfordert sind, kommen sie
mit den fragwürdigsten Vorschlägen. Ich sollte bizarre Reportagen
drehen, etwas wie »Der Führer besucht die Sparkasse« oder »Der
Führer im Schwimmbad«. Ich lehnte derlei vollendeten Schmarren
kurzerhand ab. Politiker beim Sport, das ist fast immer eine Zumutung
für die Bevölkerung. Ich habe meine Betätigung hierin dann auch
direkt nach der Machtergreifung eingestellt. Ein Fußballspieler, ein
Tänzer, die können das, das sehen die Leute jeden Tag in Vollendung,
das kann sogar große Kunst sein. In der Leichtathletik etwa, ein
vollendeter Speerwurf, das ist etwas Herrliches. Aber man denke sich,
dann käme jemand wie Göring oder diese Kanzlermatrone, die ihm
wie aus dem Gewicht geschnitten ist. Wer will das sehen? Das kann
keine guten Bilder geben.
Sicher, da gibt es dann einige, die sagen: Sie soll sich dem Volke als
dynamisch präsentieren, dazu muss sie nicht Springreiten oder
rhythmische Sportgymnastik vollführen, aber so etwas Harmloses wie
das Golfspiel, heißt es dann gerade in konservativen anglophilen
Kreisen, das wäre doch bestimmt machbar. Aber wer einmal einen
guten Golfspieler gesehen hat, der will mit Sicherheit nicht das
Herumgestocher einer unförmigen Wachtel beobachten. Und was
sollten da die anderen Staatsmänner sagen? Vormittags folgt sie
mühsam den Zusammenhängen der Wirtschaftspolitik, nachmittags ist
sie auf dem Golfplatze und prügelt dort unkoordiniert auf den Rasen
ein. Und in Badehosen, das ist ohnehin das allergrößte Unding. Man
konnte das Mussolini schon nicht ausreden. In jüngster Zeit macht das
auch dieser fragwürdige leitende russische Staatslenker, ein
interessanter Mann, zweifellos, aber dennoch ist es für mich eine
ausgemachte Sache: Sobald ein Politiker das Hemd ablegt, ist seine
Politik am Ende. Damit sagt er nichts anderes als: »Seht her, liebe
Volksgenossen, ich habe eine erstaunliche Entdeckung gemacht:
Meine Politik ist ohne Hemd besser.«