»Die Jugend empfindet noch unverfälscht«, bestätigte ich ihm. »Da
gibt es kein gut oder schlecht, sie denken so, wie es ihnen die Natur
eingibt. Wenn ein Kind richtig erzogen ist, wird es keine falsche
Entscheidung treffen.«
»Haben Sie eigentlich Kinder?«
»Leider nein«, sagte ich. »Das heißt, es wurde gelegentlich aus
interessierten Kreisen gestreut, es gäbe da einige Bankerten, wie es
bei uns heißt.«
»Oho«, meinte der Zeitungskrämer und zündete sich launig eine
Zigarette an, »es ging um den Unterhalt …«
»Nein, man wollte mich unmöglich machen. Eine Lächerlichkeit
sondergleichen. Seit wann ist es unrecht oder unehrenhaft, einem
Kinde das Leben zu schenken?«
»Sagen Sie das mal der CSU.«
»Gut, man muss da immer wieder auf die einfachen Menschen
Rücksicht nehmen. Da kann man ja mit Argumenten kommen, wie
man will, da überfordert man immer wieder viele damit. Himmler hat
das mal versucht, in der SS. Der wollte gleiche Rechte für eheliche
und uneheliche Kinder von SS-Männern durchsetzen, nicht mal da hat
das richtig geklappt. Leider, die armen Kinder. Da wird so ein kleiner
Bub, ein kleines Mädel schief angesehen, es wird gehänselt, die
anderen Kinder tanzen um es herum, sie singen Spottverse. Das ist
auch nicht gut für den Gemeinsinn. Wir sind alle Deutsche, die
ehelichen und die unehelichen. Ich sage immer: Kind ist Kind, das gilt
im Kindbett wie im Schützengraben. Man muss es natürlich auch
anschließend versorgen, das ist klar. Aber was wäre das für ein
Schweinehund, wenn er sich anschließend aus dem Staube macht?«
Ich legte die »Bild«-Zeitung wieder zurück.
»Und was ist dann aus der Sache geworden?«
»Nichts. Das waren Verleumdungen, natürlich. Und man hat dann
auch nichts mehr davon gehört.«
»Na, dann«, sagte der Zeitungskrämer und nahm einen Schluck
Tee.
»Ich weiß natürlich nicht, ob sich irgendwann die Gestapo noch
darum gekümmert hat, aber das wird wohl nicht mehr nötig gewesen
sein.«
»Wahrscheinlich nicht. Sie haben die Presse ja gleichgeschaltet …«
Und dabei lachte er, als habe er einen Witz gemacht.
»Ganz genau«, nickte ich. Dann ertönte der »Walkürenritt«.