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Er ist wieder da:xvi-4
日期:2019-06-03 14:57  点击:238
»Man möchte kaum glauben, dass ich Sie erst vor ein paar Wochen
vor meinem Kiosk aufgesammelt habe«, sagte der Zeitungskrämer.
»Die Regeln sind noch immer dieselben wie vor sechzig Jahren«,
sagte ich, »die ändern sich nicht. Es sind nur weniger Juden
beschäftigt. Deswegen geht es dem Volke auch besser. Apropos: Ich
habe mich noch gar nicht recht bei Ihnen bedankt. Hat man …?«
»Keine Angst«, sagte der Zeitungskrämer, »wir haben da ein kleines
Arrangement getroffen. Ich bin versorgt.« Dann klingelte sein
tragbares Telefon. Er hob den Apparat an den Kopf und meldete sich.
Ich griff mir zwischenzeitlich eine jener »Bild«-Zeitungen und blätterte
sie durch. Das Blatt vermittelte eine durchaus ansprechende Mischung
aus Volkszorn und Gehässigkeit. Den Anfang machten Berichte von
politischen Tölpeleien, es formte sich das Bild einer so tumben wie
jedoch letztlich immerhin gutartigen Kanzlermatrone, die unbeholfen
durch eine Horde hinderlicher Zwerge schlurfte. Parallel dazu wurde
von dem Blatte so gut wie jede demokratisch »legitimierte«
Entscheidung als völliger Unsinn entlarvt. Insbesondere der Gedanke
der europäischen Einigung war der herrlichen Hetzschrift komplett
zuwider. Am besten gefiel mir jedoch die subtile Arbeitsweise. So
wurde beispielsweise in einer Witzekolumne zwischen Scherzen über
Schwiegermütter und gehörnte Ehemänner unauffällig folgender Witz
untergebracht:
Ein Portugiese, ein Grieche und ein Spanier gehen in ein Bordell.
Wer zahlt? Deutschland.
Der war sehr gelungen. Streicher hätte natürlich noch eine
Zeichnung dazu in Auftrag gegeben, auf der diese drei verschwitzten,
unrasierten Südländer ein unschuldiges Ding mit ihren dreckigen
Fingern betatschen, während der ehrliche deutsche Arbeiter schuften
muss, aber unterm Strich wäre das wohl hier eher hinderlich gewesen,
es hätte den Scherz aus seiner klugen Unauffälligkeit herausgehoben.
Ansonsten wurde ein bunter Eintopf an Verbrechensgeschichten
über die Seiten gegossen, danach folgte die seit jeher beste
erhältliche Beschwichtigungsberichterstattung – der Sport, und dann
eine Versammlung von Fotos, auf denen berühmte Menschen alt oder
hässlich aussahen, eine vollendete Symphonie von Neid, Missgunst
und Niedertracht. Eben aus diesem Grunde hätte ich es gerne
gesehen, wenn eine kleine Notiz meines Auftrittes in diesem Umfelde
Erwähnung gefunden hätte. Aber der Zeitungskrämer hatte das Blatt
völlig zu Recht nicht auf den Stapel gelegt, es fand sich nichts. Ich ließ
das Blatt sinken, als der Krämer sein Telefon wieder wegsteckte.
»Das war mein Sohn«, sagte er, »der, dessen Schuhe Ihnen nicht
gefallen. Er hat gefragt, ob Sie der Typ aus meinem Kiosk sind. Er hat
Sie gesehen. Auf dem Handy von einem Freund. Ich soll Ihnen sagen,
Sie seien total krass.«
Ich blickte den Zeitungskrämer verständnislos an.
»Er findet Sie wohl gut«, übersetzte der Krämer. »Ich will gar nicht
wissen, was die alles für Filmchen auf ihren Handys haben, aber da
landet auf jeden Fall nichts, was sie nicht irgendwie gut oder spannend
finden.« 

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