»Sie müssen’s ja wissen«, sagte der Zeitungskrämer mit einem
Schmunzeln und hielt mir den Zucker hin. »Sie sind ja der Fachmann
der freien Meinungsbildung.«
»Was soll das denn heißen?«
»Bei Ihnen muss man wirklich aufpassen«, sagte der Krämer
kopfschüttelnd, »man will dauernd anfangen, mit Ihnen zu reden, als
wären Sie’s wirklich.« Eine Hand klopfte außen an die Verkaufstheke.
Er stand auf. »Lesen Sie mal, was die schreiben, ich hab jetzt
Kundschaft. Ist ja auch nicht so viel.«
Ich blickte auf den kleinen Stapel neben dem Sessel. Ich war auf
keiner Titelseite, aber das war ja auch nicht anzunehmen gewesen. Es
hatten sich auch die großen Zeitungen nicht um das Thema
gekümmert. Diese formidable »Bild«-Zeitung etwa war nicht dabei.
Nun war jener Wizgür schon länger im Programm, da war eine
Berichterstattung wohl nicht so interessant gewesen. Es waren letzten
Endes nur kleinere regionale Blätter, für die täglich einer der
Redakteure in das Fernsehgerät sehen musste, um eine kleine
Kolumne zu füllen. Drei dieser Redakteure also hatten in der Hoffnung
auf Unterhaltung die Sendung des Wizgür eingeschaltet. Sie alle
waren der Ansicht, dass meine Rede das Interessanteste der
Sendung gewesen sei. Einer meinte, es sei erstaunlich, dass
ausgerechnet eine Hitlerfigur auf den Punkt gebracht habe, was
eigentlich die Sendung des Wizgür schon die ganze Zeit darstelle,
nämlich eine Ansammlung von Ausländerklischees. Die beiden
anderen sagten, Wizgür habe durch meinen »herrlich bösen Beitrag«
endlich den Biss wiedergewonnen, den er selbst viel zu lange habe
vermissen lassen.
»Und«, fragte der Zeitungskrämer, »zufrieden?«
»Ich habe schon einmal von ganz unten angefangen«, sagte ich und
nahm einen Schluck Tee, »da habe ich vor zwanzig Leuten
gesprochen. Ein Drittel von denen war vermutlich irrtümlich
gekommen. Nein, ich kann mich nicht beklagen. Ich muss nach vorne
sehen. Wie fanden Sie’s?«
»Gut«, sagte er, »heftig, aber gut. Nur der Wizgür schien mir nicht
recht begeistert.«
»Ja«, sagte ich, »das kenne ich noch von früher. Die Arrivierten
schreien immer, wenn eine neue, frische Idee Einzug hält. Dann
fürchten sie um ihre Pfründe.«
»Wird er Sie noch mal in seine Sendung lassen?«
»Er wird tun, was die Produktionsfirma ihm sagt. Er lebt vom
System, er muss seine Spielregeln befolgen.«