Es war, als käme ich nach entbehrungsreichen Jahren in der Fremde
nach Hause in den Sportpalast. Die Hitze der Lichter brannte mir ins
Antlitz, ich registrierte die Gesichter des jungen Publikums. Es
mochten mehrere Hundert sein, stellvertretend für die Zehntausende,
die Hunderttausende vor den Apparaten, es war exakt die Zukunft des
Landes, es waren die Menschen, auf die ich mein Deutschland zu
bauen gedachte. Ich spürte die Anspannung in mir und die Freude.
Hatte ich jemals Zweifel gehabt, verschwanden sie nun im Taumel der
Vorbereitung. Stundenlang zu reden war ich gewohnt, nun sollten fünf
Minuten reichen.
Ich trat ans Rednerpult und schwieg.
Mein Blick ging in das Rund des Aufzeichnungsstudios. Ich horchte
hinein in die Stille, gespannt, ob die Jahrzehnte der Demokratie wie
erwartet nur geringe Spuren in den jungen Köpfen hinterlassen hatten.
Es war ein Lachen bei der Nennung meines Namens durch das
Publikum gegangen, das nun rasch verebbte, mit meiner Person
konfrontiert zog Ruhe in das Rund. Ich konnte in ihren Gesichtern
lesen, wie sie wohl zuerst mein Antlitz mit den Gesichtern ihnen
bekannter professioneller Darsteller abzugleichen versuchten, ich sah
die Verunsicherung, die ich mit schlichtem Blickkontakt in atemlose
Stille überführen konnte. Hatte ich noch mit Zwischenrufen gerechnet,
war die Sorge unbegründet – auf jeder Versammlung im Hofbräukeller
war die Zahl der Störungen größer gewesen.
Ich trat kurz vor, machte Anstalten zu sprechen, verschränkte dann
aber nur die Arme – sogleich sank der Geräuschpegel noch einmal auf
ein Hundertstel, ja Tausendstel des vorherigen. Aus dem Augenwinkel
sah ich, wie in Anbetracht der scheinbaren Ereignislosigkeit der
Dilettant Wizgür zu schwitzen begann. Es war sofort ersichtlich, dass
er nicht um die Macht der Stille wusste, sondern sie eher fürchtete.
Seine Augenbrauen versuchten sich an Grimassen, als hätte ich
meinen Text vergessen. Eine Assistentin versuchte mir Zeichen zu
geben und pochte aufgeregt auf ihre Armbanduhr. Ich zögerte die
Stille weiter hinaus, indem ich langsam den Kopf hob. Ich spürte die
Spannung im Saal, die Unsicherheit des Wizgür. Ich genoss es. Ich
ließ die Luft in meine Lungen strömen, richtete mich vollends auf und
gab der Stille einen Klang. Es kann eine fallende Stecknadel genügen,
wo alles auf Kanonendonner lauscht.
»Volksgenossen und Volksgenossinnen!
Was ich,
was wir
soeben
in zahlreichen
Beiträgen
gesehen haben,
ist wahr.
Es ist wahr,
dass der Türke kein Kulturschöpfer ist
und auch
dass er
keiner mehr wird.
Dass er eine Krämerseele ist,
deren geistige Fähigkeiten
die eines Leibeigenen
üblicherweise nicht
zu sehr
übersteigen.
Dass der Inder
eine
religiös verwirrte schwatzhafte Natur
hat.
Dass das Verhältnis des Polen zum Eigentum
nachhaltig!
gestört ist.
Es sind dies
alles
allgemeine Wahrheiten,
die jedem Volksgenossen
und jeder Volksgenossin
ohne Weiteres
einleuchten.
Jedoch ist es eine
nationale Schande, dass hier in Deutschland
nur
ein türkischer! Anhänger unserer Bewegung
dieses auch laut zu sagen wagt.
Volksgenossen und Volksgenossinnen:
Wenn ich die Gegenwart Deutschlands betrachte,
so überrascht mich das nicht!
Der Deutsche der Gegenwart
trennt seinen Abfall gründlicher
als seine Rassen
mit einer einzigen Ausnahme:
auf dem Felde des Humors.
Hier macht
nur!
der Deutsche Scherze über den Deutschen,
der Türke macht Scherze über den Türken.
Die Hausmaus macht Scherze über die Hausmaus
und
die Feldmaus über die Feldmaus.
Das hat sich zu ändern,
und das wird sich ändern.
Ab heute, 22.45 Uhr, scherzt die Hausmaus
über die Feldmaus,
der Dachs über den Rehbock
und der Deutsche über den Türken.
Daher schließe ich mich inhaltlich
in vollem Umfang
der Ausländerkritik meines Vorredners an.«
Damit trat ich ab.
Die Stille war erstaunlich.