Mir konnte das Vorgehen freilich recht sein, sogar gleich in
doppeltem Maße. Ein großes Publikum des Herrn Wizgür sicherte
auch mir eine große Aufmerksamkeit, zudem konnte ich aufgrund der
Beschaffenheit jener Scherze beruhigt davon ausgehen, dass das
Publikum in besonderem Maße ein volksdeutsches war. Nicht, weil
deutsche Zuschauer über besonderes Nationalbewusstsein verfügt
hätten, leider, sondern weil umgekehrt die Türken ein einfaches,
stolzes Volk sind, das zwar gerne die ehrliche Burleske betrachtet, mit
allerlei Tölpeln besetzt, doch Belehrungen und Veralberungen durch
seine ehemaligen oder ausgewanderten Volksgenossen nicht schätzt.
Es ist essenziell für den Türken, jederzeit der Achtung und des
Respekts der Umgebung sicher zu sein – das ist mit einer Rolle als
Dummbeutel unvereinbar.
Ich erachtete somit diese Form von Humor als so überflüssig wie
erbärmlich. Wer Ratten im Hause hat, holt ja auch keinen Clown,
sondern den Kammerjäger. Wenn aber derlei nötig schien, galt es,
vom ersten Auftritte an zu zeigen, dass ein aufrechter Deutscher für
Scherze über Angehörige minderwertiger Rassen nicht der Hilfe
ausländischer Handlanger bedurfte.
Eine junge Dame trat auf mich zu, als ich beim Studio ankam. Sie
hatte eine sportliche Figur, man hätte sie für ein Blitzmädel halten
können, aber seit meiner Erfahrung mit jener Özlem hatte ich
beschlossen, etwas vorsichtiger zu sein. Die junge Dame war
reichhaltig verkabelt, trug offenbar eine Art Mikrofon am Mund und
wirkte generell, als käme sie direkt aus der Fliegerleitstelle.
»Hallo«, sagte die junge Dame und hielt mir ihre Hand hin, »ich bin
die Jenny. Und du bist dann wohl der …«, und hierbei stockte sie ein
wenig, »Adolf …?«
Für einen Moment überlegte ich, was mit dieser recht direkten, ja
plumpen Vertraulichkeit anzufangen war. Allerdings schien sie bei
niemandem auf Erstaunen zu stoßen. Tatsächlich war dies meine
erste Begegnung mit dem Jargon des Fernsehgeschäftes. Man war
hier, wie sich später herausstellen sollte, offenbar der Ansicht, das
Sendeerlebnis habe etwas Verbindendes, ganz ähnlich dem
gemeinsamen Kampfe im Schützengraben, und fürderhin sei man
nunmehr Teil eines Kämpferbundes, dessen Mitglieder sich Treue
schworen sowie das »Du« bis zum Tode oder doch wenigstens bis zur
Einstellung der jeweiligen Sendung. Diese Herangehensweise schien
mir zunächst unangemessen, allerdings musste man freilich mildernd
in Betracht ziehen, dass die Generation jener Jenny wohl noch keine
echte Fronterfahrung hatte sammeln können. Ich gedachte das
mittelfristig zu ändern, beschloss einstweilen aber, Vertrauen mit
Vertrauen zu vergelten, und sprach beruhigend zu dem jungen Ding:
»Du kannst onkel Wolf zu mir sagen.«
Sie runzelte kurz die Stirne und sagte dann: »Gut, Herr, ähm …
onkel …, kommen Sie bitte mit in die Maske?«
»Natürlich«, sagte ich und folgte ihr durch die Senderkatakomben,
während sie sich ihr Mikrofonstäbchen an den Mund presste und
»Elke, wir kommen jetzt zu dir« hineinsagte. Schweigend liefen wir die
Flure entlang.
»Sie waren schon mal im Fernsehen?«, fragte sie dann. Mir fiel auf,
dass das Duzen momentan wohl nicht mehr in Betracht kam.
Vermutlich hatte die Aura des Führers sie inzwischen eingeschüchtert.
»Mehrfach«, sagte ich, »es liegt jedoch schon etwas zurück.«