Bei rechtem Lichte betrachtet, war jener Wizgür einer jener
»Künstler«, wie sie nur eine bürgerliche Demokratie hervorbringen
konnte. Aufgrund genetischer Vermischung paarte sich hier welsches,
ja asiatisches Aussehen mit tadellosem, wenn auch in schwer
erträglichen Dialekt gefärbtem Deutsch. Diese Mischung gerade
schien es, die jenem Wizgür seine Funktion ermöglichte. Sie
entsprach in etwa der jener weißen Schauspieler, die sich in den USA
schwarz schminkten, um Rollen als Darsteller für dümmliche Neger zu
erhalten. Die Parallele war augenfällig, nur handelte es sich in diesem
Falle nicht um den Konsum von Negerscherzen, sondern um den von
Ausländerwitzen. An diesen schien ein derartiger Bedarf zu herrschen,
dass es gleich mehrere dieser Rassekomödianten gab. Begreiflich war
das nicht. In meinen Augen ist der Rasse- oder Ausländerwitz ein
Widerspruch in sich. Zur Verdeutlichung mag ein Scherzwort dienen,
das mir ein Kamerad 1922 erzählt hat.
Es begegnen sich zwei Veteranen.
»Wo sind Sie denn verwundet worden?«, fragt der eine.
»An den Dardanellen«, sagt der zweite.
Antwortet der erste: »Gerade da soll es ja so schmerzhaft sein!«
Ein heiteres Missverständnis, das ohne weitere Schwierigkeiten
jeder Soldat zum Besten geben kann. Durch Austausch des Personals
kann der heitere und sogar auch der belehrende Effekt verändert
werden. Er lässt sich steigern, wenn man zum Beispiel die Rolle des
Fragenden mit einem notorischen Besserwisser besetzt, sagen wir
Roosevelt oder Bethmann-Hollweg. Wenn man nun aber annimmt, der
dumme Fragende wäre kein Veteran, sondern ein Silberfischchen,
fehlt die Heiterkeit sofort, da jeder Zuhörer denkt: Wie soll das
Silberfischchen wissen, wo die Dardanellen sind?
Ein Dummer, der dumme Dinge tut, ist nicht komisch. Ein guter Witz
braucht eine Überraschung, damit er seine belehrende Wirkung in
größtem Umfange entfalten kann. Und natürlich kann es nicht
überraschen, dass ein Türke ein Einfaltspinsel ist. Freilich, nähme der
Türke in dem Witze allenthalben die Rolle des genialen
Wissenschaftlers ein, dann wäre schon aufgrund der Absurdität ein
Heiterkeitserfolg gewiss. Derartige Witze erzählte allerdings weder
Herr Wizgür noch einer seiner Kollegen. Gängig waren in diesem
Metier Schwänke und Anekdoten rund um mäßig bis kaum gebildete
Ausländer, die in erbärmlichem Kauderwelsch schwer Verständliches
stammelten. Dabei war die übliche demokratische Verlogenheit dieser
»liberalen« Gesellschaft offenkundig: Während es insgesamt als
verwerflich galt, sämtliche Ausländer über einen Kamm zu scheren
und daher von deutschen Polit-Humoristen unablässig eine
nachgerade sortenreine Trennung zu erfolgen hatte, konnten Wizgür
und seine fragwürdigen Konsorten ähnliche Inder, Araber, Türken,
Polen, Griechen, Italiener jederzeit nach Belieben in einen Topfe
werfen.