Daraufhin bekam der Zeitungskrämer rote Flecken im Gesicht: »Die
Herren sind von einer Produktionsfirma. Die beliefern die ganzen
großen Sender. MyTV! RTL! Sat 1! Pro Sieben! Die ganze
Privatschiene! Kann man doch so sagen, oder?« Die letzte Frage
richtete sich an die beiden Herren.
»Kann man so sagen«, sagte der Ältere gönnerhaft. Dann nahm er
die Hand aus der Hosentasche, hielt sie mir hin und sagte:
»Sensenbrink, Joachim. Und das ist Frank Sawatzki, er arbeitet mit
mir zusammen bei Flashlight.«
»Aha«, sagte ich und schüttelte die Hand. »Hitler, Adolf.«
Der Jüngere schmunzelte, es wirkte auf mich beinahe überheblich.
»Unser gemeinsamer Freund hat uns ja von Ihnen geradezu
vorgeschwärmt. Lassen Sie mal was hören!« Dabei legte er grinsend
zwei Finger auf seine Oberlippe und sagte: »Soit fönf Ohr
fönfonvörzäg wörd zoröckgeschossen!«
Ich wandte mich zu ihm und musterte ihn sorgfältig. Dann ließ ich
eine kurze Zeit der Stille einkehren. Stille wird oft unterschätzt.
»So«, sagte ich, »Sie möchten also über Polen sprechen. Polen.
Nun gut. Was genau wissen Sie denn von Polens Geschichte?«
»Hauptstadt Warschau, überfallen 1939, mit den Russen geteilt …«
»Das«, erwiderte ich knapp, »ist Bücherwissen. Jede Papiermotte
kann derlei in sich hineinfressen. Beantworten Sie meine Frage!«
»Ich habe doch …«
»Meine Frage! Verstehen Sie kein Deutsch? Was! Wissen! Sie!
Über! Polens Geschichte!«
»Ich …«
»Was wissen Sie von polnischer Geschichte? Kennen Sie die
Zusammenhänge? Und was wissen Sie über das polnische
Völkergemisch? Was wissen Sie über die sogenannte deutsche
Polenpolitik nach 1919? Und – wenn Sie schon vom Zurückschießen
sprechen – wissen Sie überhaupt, wohin?«
Ich machte eine kurze Pause, um ihn Luft holen zu lassen. Den
politischen Gegner muss man im rechten Moment überrollen. Nicht,
wenn er gerade nichts zu sagen hat. Sondern wenn er etwas zu sagen
versucht.
»Ich …«
»Wenn Sie schon meine Rede gehört haben, dann wissen Sie doch
sicher auch, wie sie weitergeht, oder?«
»Das …«
»Ich höre?«
»Wir sind hier doch nicht …«
»Ich helfe Ihnen mal: ›Von jetzt ab …‹ – wissen Sie jetzt weiter?«
»…«
»›Von jetzt ab wird Bombe mit Bombe vergolten.‹ Schreiben Sie’s
auf, vielleicht fragt man Sie eines Tages noch mal nach den großen
Sätzen der Geschichte. Aber vielleicht sind Sie ja in der Praxis besser.
Sie haben 1,4 Millionen Mann zur Verfügung und 30 Tage Zeit, um ein
ganzes Land zu erobern. 30 Tage, mehr nicht, denn im Westen rüsten
fieberhaft Franzosen und Engländer. Wo fangen Sie an? Wie viele
Heeresgruppen bilden Sie? Wie viele Divisionen hat der Feind? Wo
erwarten Sie den größten Widerstand? Und was tun Sie, damit der
Rumäne sich nicht einmischt?«
»Der Rumäne?«