»Im Feld kann der einfache Landser auch nicht den Rock wechseln,
und ich werde hier nicht der Dekadenz derer anheimfallen, die es sich
hinter der Front gemütlich machen.«
»Das mag ja alles sein, aber denken Sie doch mal an Ihr
Programm!«
»Wieso?«
»Na, Sie wollen doch Ihr Programm an den Mann bringen, oder?«
»Ja und?«
»Haben Sie schon mal daran gedacht, was passiert, wenn hier mal
wirklich ein paar Leute vorbeikommen und Sie kennenlernen wollen?
Und dann stehen Sie da und riechen, dass man sich nicht traut, neben
Ihnen eine Zigarette anzuzünden.«
»Sie haben sich ja auch getraut«, erwiderte ich. Aber meinen
Worten fehlte die gewohnte Schärfe, weil ich seinen Argumenten
widerwillig beipflichten musste.
»Ich bin eben mutig«, lachte er. »Kommen Sie, gehen Sie rasch
nach Hause, und holen Sie sich ein paar andere Klamotten.«
Da war es wieder, das leidige Wohnproblem.
»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass das derzeit schwierig ist.«
»Na, aber Ihre Ex arbeitet doch vielleicht jetzt. Oder sie geht
einkaufen. Warum stellen Sie sich denn so an?«
»Nun ja«, sagte ich zögernd, »das ist sehr problematisch. Die
Wohnung …« Ich war jetzt wirklich ein wenig in argumentativen Nöten.
Es war aber auch eine entwürdigende Situation.
»Haben Sie am Ende keinen Schlüssel?«
Diesmal musste ich selbst lachen angesichts von so viel Naivität. Ich
wusste gar nicht, ob es für den Führerbunker überhaupt einen
Schlüssel gab.
»Nein, äh, wie soll ich sagen: Der Kontakt ist irgendwie … ist, äh,
unterbrochen … worden.«
»Haben Sie ein Kontaktverbot?«
»Ich kann es mir ja selbst nicht wirklich erklären«, sagte ich, »aber
es ist wohl etwas in der Art.«
»Himmel, so wirken Sie gar nicht«, sagte er etwas reserviert. »Was
haben Sie denn angestellt?«
»Ich weiß es nicht«, sagte ich wahrheitsgemäß, »mir fehlt die
Erinnerung an die Zwischenzeit.«
»Sie scheinen mir jedenfalls nicht gewalttätig«, sagte er
nachdenklich.
»Nun«, sagte ich und rückte mir mit der Hand den Scheitel zurecht,
»ich bin natürlich Soldat …«
»Also schön, Sie Soldat«, sagte der Zeitungskrämer. »Ich mach
Ihnen noch einen Vorschlag. Weil Sie gut sind und ich an solche
Besessenen wie Sie glaube.«
»Natürlich«, bekräftigte ich seine Rede, »wie jeder vernünftige
Mensch. Man muss seine Ziele mit ganzer Kraft verfolgen, ja, mit
Besessenheit. Der laue, verlogene Kompromiss ist die Wurzel allen
Übels und …«
»Ist ja gut«, unterbrach er mich, »also passen Sie auf. Ich bringe
Ihnen morgen ein paar alte Sachen von mir. Sie brauchen sich nicht
bedanken, ich hab in letzter Zeit etwas zugelegt, ich bring die Knöpfe
nicht mehr zu«, und dabei blickte er unzufrieden auf seinen Bauch,
»aber Ihnen könnten sie passen. Sie arbeiten ja glücklicherweise nicht
als Göring.«
»Wie käme ich dazu?«, fragte ich irritiert.
»Und dann bringe ich Ihre Uniform gleich in die Reinigung …«
»Die Uniform gebe ich nicht aus der Hand!«, betonte ich
unnachgiebig. »Schön«, sagte er, und er wirkte mit einem Male ein wenig
erschöpft, »dann bringen eben Sie Ihre Uniform in die Reinigung. Aber
das sehen Sie doch ein, oder? Dass man die mal sauber machen
muss.«
Man wurde behandelt wie ein kleines Kind, es war empörend. Aber,
so viel war klar, das würde so bleiben, solange ich schmutzig wie ein
Kind herumlief. Also nickte ich.
»Bloß mit den Schuhen wird das schwierig werden«, sagte er. »Was
haben Sie für eine Größe?«
»43«, sagte ich gottergeben.
»Da werden Ihnen meine zu klein sein«, sagte er. »Aber ich lass mir
was einfallen.«