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Er ist wieder da:i-1
日期:2019-02-26 15:25  点击:272
Ich erinnere mich, ich bin erwacht, es dürfte früher Nachmittag
gewesen sein. Ich öffnete meine Augen, ich sah über mir den Himmel.
Er war blau, leicht bewölkt, es war warm, und mir war sofort klar, dass
es für April zu warm war. Man konnte es fast heiß nennen. Es war
vergleichsweise still, über mir war kein Feindflieger zu sehen, kein
Geschützdonner zu hören, keine Einschläge in der Nähe, keine
Luftschutzsirenen. Ich registrierte auch: keine Reichskanzlei, kein
Führerbunker. Ich wandte den Kopf, ich sah, ich lag auf dem Boden
eines unbebauten Grundstücks, umgeben von benachbarten
Häuserwänden, aus Ziegeln gemauert, teilweise von Schmutzfinken
beschmiert, ich ärgerte mich sofort und beschloss spontan, Dönitz
herbeizuzitieren. Ich dachte zuerst gar, wie in einem Halbschlummer,
ja liegt denn Dönitz auch hier irgendwo herum, dann siegte die
Disziplin, die Logik, ich erfasste rasch die Eigenwilligkeit der Lage. Ich
kampiere üblicherweise nicht unter freiem Himmel.
Zuerst überlegte ich: Was hatte ich am Vorabend getan? Über
unmäßigen Alkoholkonsum brauchte ich mir keine Gedanken machen,
ich trinke ja nicht. Ich erinnerte mich, zuletzt mit Eva auf einem Sofa
gesessen zu haben, auf einem Plumeau. Ich erinnerte mich auch,
dass ich oder wir dort in einer gewissen Sorglosigkeit saßen, ich hatte
meines Wissens beschlossen, die Staatsgeschäfte einmal ein wenig
ruhen zu lassen, wir hatten keine weiteren Pläne für den Abend,
Essen gehen oder Kino oder dergleichen kam selbstverständlich nicht
infrage, das Unterhaltungsangebot der Reichshauptstadt war zu
diesem Zeitpunkt, nicht zuletzt auch meinem Befehl gemäß, bereits
erfreulich ausgedünnt. Ich konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob in den
folgenden Tagen Stalin in die Stadt kommen würde, es war zu diesem
Zeitpunkt des Kriegsverlaufs nicht vollständig auszuschließen. Was ich
aber mit Sicherheit sagen konnte, war, dass er hier so vergeblich nach
einem Lichtspieltheater gesucht haben dürfte wie in Stalingrad. Ich
glaube, wir hatten dann noch ein wenig geplaudert, Eva und ich, und
ich hatte ihr meine alte Pistole gezeigt, weitere Details waren mir bei
meinem Erwachen nicht geläufig. Auch weil ich unter Kopfschmerzen
litt. Nein, die Erinnerung an den Vorabend brachte mich hier nicht
weiter.
Ich entschloss mich also, das Heft des Handelns zu ergreifen und
mich mit meiner Situation näher auseinanderzusetzen. In meinem
Leben habe ich gelernt, zu beobachten, zu betrachten, auch oft
kleinste Dinge wahrzunehmen, die mancher Studierte gering schätzt,
ja ignoriert. Ich hingegen kann dank jahrelanger eiserner Disziplin von
mir ruhigen Gewissens sagen, ich werde in der Krise kaltblütiger, noch
überlegter, die Sinne werden schärfer. Ich arbeite präzise, ruhig, wie
eine Maschine. Ich fasse methodisch zusammen, was ich an
Informationen habe: Ich liege auf dem Boden. Ich sehe mich um.
Neben mir lagert Unrat, es wächst Unkraut, Halme, hier und da ein
Busch, auch ein Gänseblümchen ist dabei, Löwenzahn. Ich höre
Stimmen, sie sind nicht zu weit entfernt, Schreie, das Geräusch
fortgesetzten Aufprallens, ich sehe in die Richtung der Geräusche, sie
rühren von einigen Buben her, die dort Fußball spielen. Es sind keine
Pimpfe mehr, für den Volkssturm wohl noch zu jung, sie sind
vermutlich in der HJ, aber offensichtlich derzeit nicht im Dienst, der
Feind scheint eine Ruhephase eingelegt zu haben. Ein Vogel bewegt
sich im Geäste eines Baumes, er zwitschert, er singt. Für manchen ist
das nur ein Zeichen heiterer Laune, aber in dieser ungewissen Lage,
angewiesen auf jede Information, und mag sie noch so klein sein,
kann der Kenner der Natur und des alltäglichen Überlebenskampfes
daraus folgern, dass keine Raubtiere anwesend sind. Direkt neben
meinem Kopfe befindet sich eine Pfütze, sie scheint im Schrumpfen
begriffen, es hat wohl vor längerer Zeit geregnet, seither aber nicht
mehr. An ihrem Rand liegt meine Schirmmütze. So arbeitet mein
geschulter Verstand, so arbeitete er auch in diesem irritierenden
Momente.
 

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