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Das Chagrinleder 驴皮记:Der Talisman-20
日期:2019-01-25 10:39  点击:287
Émile war ein Journalist, der durch Nichtstun mehr Berühmtheit erlangt hatte als andere durch ihre Erfolge. Ein scharfer Kritiker, voll Schwung und beißender Ironie, besaß er alle Vorzüge, die seine Fehler mit sich brachten. Unverhohlen und lachend sagte er einem Freund tausend Bosheiten ins Gesicht, den er in dessen Abwesenheit mutig und aufrichtig verteidigte. Er spottete über alles, selbst über seine Zukunft. Stets in Geldnöten, verharrte er wie alle Menschen von einiger Bedeutung in unsagbarer Faulheit und warf nur manchmal solchen Leuten mit einem Wort ein ganzes Buch an den Kopf, die in einem ganzen Buch noch nicht einmal ein einziges Wort zu sagen hatten. Mit Versprechungen ging er sehr verschwenderisch um, doch hielt er sie nie, und Vermögen und Ruhm machten ihm so wenig Sorgen, daß er Gefahr lief, seine Tage im Spital zu beschließen. Ein Freund übrigens bis zum bitteren Ende, ein großmäuliger Zyniker und doch harmlos wie ein Kind, arbeitete er nur, wenn ihm der Sinn danach stand oder die Not ihn zwang.
»Wir werden eine famose Mahlzeit halten, wie Meister Alcofribas [Fußnote] zu sagen beliebte«, sprach er zu Raphael und wies auf die Kästen mit Blumen, die das Treppenhaus schmückten und mit Wohlgeruch erfüllten.
»Ich liebe warme, mit Teppichen ausgelegte Vorhallen«, sagte Raphael. »Luxus schon im Treppenhaus ist in Frankreich selten. Hier lebe ich auf.«
»Und da oben wollen wir wieder einmal trinken und lustig sein, mein armer Raphael. Wohlan denn! Ich hoffe, wir werden die Sieger sein und diese Köpfe da zu unseren Füßen sehen.«
Dann zeigte er spöttisch auf die Gäste, als sie in einen hell erleuchteten Salon mit reicher Vergoldung traten, wo sie sogleich von den bemerkenswertesten jungen Leuten von Paris begrüßt wurden. Einer von ihnen hatte soeben ein neues Talent offenbart und mit seinem ersten Gemälde den glorreichen Malern der Kaiserzeit den Rang streitig gemacht. Ein anderer hatte tags zuvor ein Buch veröffentlicht, voll Kraft und Frische und einer gewissen Geringschätzung des literarisch Althergebrachten, das der modernen Schule neue Wege zeigte. Ein Stück weiter unterhielt sich ein Bildhauer, dessen ungeschlachte Züge ein kraftvolles Genie verrieten, mit einem jener kalten Spötter, die, je nachdem, Überlegenheit entweder gar nicht oder überall feststellen wollen. Da lauerte der geistreichste unserer Karikaturisten mit boshaftem Blick und spitzer Zunge, die beißenden Witzreden in Bleistiftstriche umzusetzen. Dort plauderte jener junge verwegene Schriftsteller, der wie kein anderer die Quintessenz der politischen Ideen herauszudestillieren verstand oder spielend den Gedankengehalt eines Vielschreibers resümierte, mit jenem Poeten, vor dessen Werken alle zeitgenössischen Dichtungen verblassen würden, wäre sein Talent so mächtig wie sein Haß. Beide versuchten sie, die Wahrheit und die Lüge zu umgehen, und tauschten also sanfte Schmeichelreden miteinander aus. Ein berühmter Musiker tröstete einen jungen Politiker, der vor kurzem von der Tribüne gefallen war, ohne sich ein Leids zu tun, im sentimentalen Moll mit einem spöttischen Unterton. Junge Dichter ohne Stil standen neben jungen Dichtern ohne Einfälle, poetische Prosaiker neben prosaischen Poeten. Ein junger Saint-Simonist, [Fußnote] der so naiv war, an seine Lehre zu glauben, wollte voller Mitgefühl diese unvollkommenen Wesen einen, wahrscheinlich um sie zu Bekennern seines Ordens zu machen. Ferner waren zwei oder drei Männer der Wissenschaft anwesend, die ihrer Bestimmung nach immer Stickstoff in die Konversation bringen, und mehrere Vaudeville-Autoren, bereit, ihre rasch verflackernden Geistesblitze beizusteuern, welche wie das Funkeln von Diamanten weder erleuchten noch erwärmen. Einige vom Widerspruchsgeist Besessene, die sich insgeheim über jene Menschen lustig machen, die ihre Bewunderung oder Verachtung für Menschen und Dinge unverhohlen kundtun, trieben schon jene doppelzüngige Politik, mit der sie alle Systeme in Mißkredit zu bringen suchen, ohne für ein einziges Partei zu ergreifen. Der Nörgler, den nichts erstaunt, der sich in den Bouffons mitten in einer Kavatine schneuzt und dann als erster ›Bravo‹ schreit und denen widerspricht, die seiner Meinung zuvorkommen, war auch da und suchte sich den Wortschatz der geistreichen Leute anzueignen. Unter diesen Gästen waren fünf, die eine Zukunft hatten, etwa zehn, die eine flüchtige Berühmtheit erlangen sollten; was die anderen anbelangt, so galt für sie, wie für alles Mittelmäßige, die berühmte Lüge [Fußnote] Ludwigs XVIII.: Eintracht und Vergessen. Der Gastgeber zeigte die besorgte Heiterkeit eines Mannes, der zweitausend Taler aufgewendet hat. Von Zeit zu Zeit blickte er ungeduldig nach der Tür des Salons, als halte er nach einem Gast Ausschau, der auf sich warten ließ. Alsbald erschien ein untersetzter kleiner Mann, der mit einer schmeichelhaften allgemeinen Bewegung begrüßt wurde; es war der Notar, der am Morgen dieses Tages die Gründung der Zeitung vollzogen hatte. Ein Kammerdiener in Schwarz schlug die Türflügel eines großen Speisesaals zurück, wo jeder ohne weitere Umstände seinen Platz an der riesigen Tafel fand. Ehe Raphael die Salons verließ, warf er einen letzten Blick darauf. Sein Wunsch war ohne Frage vollständig in Erfüllung gegangen. Seide und Gold prangte in den Gemächern. Die unzähligen Kerzen der prächtigen Kandelaber ließen die geringsten Einzelheiten der vergoldeten Friese, die feinen Ziselierungen der Bronze und die satten Farben der Möbel in hellem Lichte erstrahlen. Seltene Blumen auf Gestellen, die kunstreich aus Bambus hergestellt waren, verbreiteten liebliche Wohlgerüche. Alles, bis hin zu den Vorhängen, war von einer unaufdringlichen Eleganz; über allem lag ein gewisser poetischer Zauber, der eine starke Wirkung auf die Phantasie eines jungen mittellosen Mannes ausüben mußte. 

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