»Oh, er denkt nur an seine Töchter«, sagte Bianchon. »Mehr als hundertmal hat er während der Nacht zu mir gesagt: ›Sie tanzen! Sie hat ihre Robe!‹ Er rief sie bei ihren Namen. Er hat mich zum Heulen gebracht, der Teufel hol mich, mit seinen Rufen: ›Delphine! Meine kleine Delphine! Nasie!‹ Mein Ehrenwort«, sagte der Medizinstudent, »es war zum Weinen.«
»Delphine«, sagte der Greis, »ist da, nicht wahr? Ich weiß es ganz genau.« Seine Blicke liefen mit einer irren Beweglichkeit über Tür und Wände.
»Ich gehe hinunter, um durch Sylvia die Senfumschläge bereiten zu lassen«, rief Bianchon, »der Augenblick ist günstig.«
Rastignac blieb allein bei dem Greis, am Fuße des Bettes, die Augen fest auf das schreckliche Schmerzensantlitz gerichtet.
Madame de Beauséant flieht – und er stirbt, dachte er. Schöne Seelen können nicht lange in dieser Welt verweilen. Wie könnten sich auch die großen Gefühle mit dieser heimtückischen, kleinen, oberflächlichen Gesellschaft abfinden?
Die Bilder des Balles drängten sich ihm als Kontrast zu dem Schauspiel dieses Totenhauses auf. Da kam plötzlich Bianchon zurück.
»Hör, Eugen, ich habe mit unserem Chefarzt gesprochen und bin in aller Eile zurückgekehrt. Wenn sich Zeichen klarer geistiger Verfassung bemerkbar machen, wenn er spricht, so leg ihn auf einen großen Senfumschlag, so daß der Rücken vom Nacken bis zu den Nieren bedeckt ist, und laß uns rufen!«
»Guter Bianchon«, sagte Eugen.
»Oh, es handelt sich um einen wissenschaftlichen Fall«, sagte der Student mit dem ganzen Eifer des Anfängers.
»Dann bin ich also der einzige«, sagte Eugen, »der diesen armen Greis aus Liebe pflegt.«
»Wenn du mich heute morgen gesehen hättest, würdest du das nicht sagen«, sagte Bianchon, ohne an den Worten Eugens Anstoß zu nehmen. »Ärzte, die schon lange praktizieren, sehen nur die Krankheit, ich sehe auch noch den Kranken, mein guter Junge.«
Er ging wieder fort. Eugen blieb allein mit dem Greis zurück in der Erwartung einer Krise, die dann auch recht bald eintrat.