»Bianchon, soll man nicht Vorhänge für die Fenster besorgen?«
»Nein, Licht und Luft berühren ihn nicht mehr. Es wäre schon gut, wenn ihm warm oder kalt wäre. Trotzdem brauchen wir Feuer, um die Arzneien und anderen Dinge zu bereiten. Ich werde dir Reisig schicken, das wir brennen können, bis wir Holz haben. Gestern und heute nacht habe ich deinen Vorrat und den Torf des armen Mannes verbraucht. Es war feucht im Zimmer, das Wasser floß die Wände herunter. Ich habe das Zimmer kaum trocken bekommen. Christoph hat ausgefegt, es war ein wahrer Stall. Ich habe Wacholder verbrannt; der Geruch war zu schlecht.«
»Mein Gott«, sagte Rastignac, »aber seine Töchter!«
»Halt, wenn er zu trinken verlangt, gibst du ihm hiervon«, sagte der junge Mediziner und zeigte Rastignac einen großen weißen Topf. »Wenn er über Schmerzen klagt und der Leib heiß und hart wird, läßt du dir von Christoph helfen, um ihm ein . . . Du weißt schon. Wenn er sich sehr erregt, viel spricht, wenn er ein wenig verrückt zu sein scheint, laß ihn nur machen. Das wäre kein schlechtes Zeichen. Aber schicke dann Christoph zum Hospital Cochin. Mein Chefarzt, mein Kollege oder ich werden dann kommen, um ihm Moxa zu geben. Heute morgen – während du schliefst, haben wir mit einem Schüler des Doktor Gall, dem Chefarzt des Hotel Dieu und dem unsrigen eine große Konsultation veranstaltet. Die Herren glaubten, eigenartige Symptome zu erkennen, und wir werden die Fortschritte der Krankheit verfolgen, um uns über verschiedene wichtige wissenschaftliche Fragen klarzuwerden. Einer der Herren behauptet, daß der Blutdruck, wenn er auf ein Organ mehr als auf andere wirkt, eigenartige Wirkungen hervorrufen kann. Falls er spricht, so höre gut zu, um festzustellen, in welchen Gedankengängen er sich bewegt: ob es Äußerungen des Gedächtnisses sind, Äußerungen der Erkenntnis oder solche der Urteilskraft, ob er sich mit materiellen Dingen oder mit Gefühlen beschäftigt, ob er rechnet und auf die Vergangenheit zurückkommt; sei also in der Lage, uns einen genauen Bericht zu geben. Es ist möglich, daß der Bluterguß auf das ganze Gehirn eingewirkt hat. Dann wird er in dem Zustand der Bewußtlosigkeit sterben, in dem er sich im Augenblick befindet. Alles ist seltsam bei dieser Art Krankheiten! Wenn die Bombe hier platzt«, sagte er, auf den Hinterkopf des Kranken zeigend, »so werden sich eigenartige Phänomene zeigen. Das Haupthirn erlangt dann einige seiner Fähigkeiten zurück, und der Tod tritt nur langsam ein. Die Bluteinbrüche können sich auch überhaupt vom Gehirn abwenden und Wege nehmen, die man erst bei der Autopsie erkennen kann. Im Hospital für Unheilbare liegt ein gelähmter Greis, bei dem der Erguß sich längs der Wirbelsäule vollzogen hat. Er leidet entsetzlich, aber er lebt.«