»Nein, lassen Sie mich«, schrie die Gräfin, die von Vater Goriot umfaßt wurde, und schüttelte die Umarmung ab.
»Sie hat weniger Mitleid mit mir als mein Gatte. Sie ist ein richtiges Musterbild der Tugend.«
»Es ist mir noch lieber, wenn die Leute von mir sagen, ich schulde Herrn de Marsey Geld, als wenn ich gestehen muß, daß Herr de Trailles mich mehr als 200 000 Francs kostet«, erwiderte Madame de Nücingen.
»Delphine!« schrie die Gräfin und machte einen Schritt, um auf sie loszugehen.
»Ich sage dir die Wahrheit, während du mich verleumdest«, erwiderte die Baronin kalt.
»Delphine, du bist eine . . .«
Vater Goriot sprang auf, hielt die Gräfin zurück und hinderte sie am Sprechen, indem er ihr die Hand auf den Mund legte.
»Mein Gott, Vater, was haben Sie denn heute morgen angefaßt?« sagte Anastasie.
»Ach ja, was mache ich auch«, sagte der arme Vater, der sich die Hände an der Hose abwischte. »Ich wußte ja nicht, daß ihr kamt, ich bin beim Umziehen.«
Er war glücklich, sich einen Vorwurf zugezogen zu haben, der den Zorn seiner Tochter auf ihn lenkte.
»Ah!« fuhr er fort, nachdem er sich gesetzt hatte. »Ihr habt mir das Herz gespalten. Ich sterbe, meine Kinder! Der Schädel kocht mir, als wenn Feuer drinnen wäre. Seid doch brav und habt euch lieb, sonst bringt ihr mich in den Tod! Delphine, Nasie, ihr habt beide recht, ihr habt beide unrecht.« Er sah die Baronin mit Tränen in den Augen an: »Also Dedel, sie braucht 12 000 Francs, sehen wir zu, wie wir sie auftreiben! Seht euch nicht so an!« Er sank vor Delphine in die Knie. »Bitte sie um Verzeihung, tu mir den Gefallen«, sagte er ihr ins Ohr. »Du weißt doch, sie ist unglücklicher als du.«