»Weine auch du nicht, meine kleine Delphine. Zeig deine Augen, ich will sie mit meinen Küssen trocknen. So! Ich werde meinen Kopf schon wieder zusammenfinden und das Wirrsal von Geschäften klären, das dein Gatte zusammengemengt hat.«
»Nein, laß mich nur machen, ich weiß ihn zu nehmen. Er liebt mich schließlich, und ich werde meine Macht über ihn benutzen, um einige Kapitalien herauszubekommen. Vielleicht lasse ich ihn unter meinem Namen das Gut Nücingen im Elsaß zurückkaufen; er hängt daran. Aber komm morgen, um seine Bücher und Geschäfte zu prüfen. Herr Derville versteht nichts von geschäftlichen Dingen . . . Nein, komm morgen nicht. Ich will mich nicht aufregen. Der Ball der Madame de Beauséant findet übermorgen statt, ich will mich pflegen, um schön und ausgeruht zu sein, um meinem lieben Eugen Ehre zu machen! . . . Sehen wir uns doch einmal sein Zimmer an.«
In diesem Augenblick hielt ein Wagen in der Rue Neuve-Ste-Geneviève, und man hörte die Stimme der Madame de Restaud auf der Treppe, die Sylvia fragte: »Ist mein Vater da?«
Dieser Umstand kam Eugen zugute, der schon daran dachte, sich aufs Bett zu werfen und zu tun, als ob er schliefe.
»Ah, mein Vater, hat man dir schon von Anastasie erzählt?« sagte Delphine, die die Stimme ihrer Schwester erkannte. »Es scheint, daß sich auch in ihrer Ehe eigenartige Dinge zugetragen haben.«
»Was denn?« sagte Vater Goriot, »das wäre mein Ende! Mein armer Kopf könnte ein zweites Unglück nicht ertragen.«
»Guten Tag, Vater«, sagte die Gräfin, ins Zimmer tretend. »Ah, du bist da, Delphine.«
Madame de Restaud schien von der Anwesenheit ihrer Schwester unangenehm berührt zu sein.
»Guten Tag, Nasie«, sagte die Baronin. »Findest du es seltsam, daß ich hier bin? Ich für meinen Teil sehe Vater alle Tage.«
»Seit wann das?«
»Wenn du öfter kämest, würdest du es wissen.«
»Quäle mich nicht, Delphine«, bat die Gräfin mit weinerlicher Stimme. »Ich bin todunglücklich, ich bin verloren, mein armer Vater, oh, diesmal bin ich aber verloren!«