Da vernahm er die Stimme Delphines. Er wollte kein Geräusch machen und horchte auf die Worte Delphines, überzeugt, daß sie kein Geheimnis vor ihm haben dürfe. Von den ersten Worten an fand er die Unterhaltung zwischen Vater und Tochter so interessant, daß er weiter zuhörte.
»Ah! Vater«, sagte sie, »gebe der Himmel, daß Sie die Rechnungslegung über mein Vermögen noch so zeitig gefordert haben, daß ich nicht ruiniert bin. Darf ich sprechen?«
»Ja, es ist niemand im Hause«, antwortete Vater Goriot erregt.
»Was hast du denn, Vater?« fragte Delphine.
»Du hast mir einen Beilhieb auf den Kopf gegeben«, sagte der Greis. »Gott verzeihe dir, mein Kind! Du weißt nicht, wie sehr ich dich liebe; wenn du es wüßtest, hättest du mir so etwas nicht brüsk gesagt, vor allem, wo die Lage nicht verzweifelt ist. Was hat sich denn so Dringendes ereignet, daß du mich hier aufsuchst, da du mich doch in wenigen Minuten in der Rue d'Artois treffen konntest?«
»Ist man Herr seiner ersten Bewegung, wenn sich eine Katastrophe ereignet? Ich bin halb irre. Dein Anwalt hat uns das Unglück ein wenig früher verkündet, das sich ohne Zweifel später ereignen wird. Deine alte Geschäftserfahrung wird uns sehr notwendig sein, und ich bin hergeeilt, um mich an dich zu klammern wie ein Ertrinkender an einen Ast. Als Herr Derville sah, wie Nücingen ihm tausend Schikanen entgegensetzte, hat er ihm mit einem Prozeß gedroht und ihm erklärt, daß die Autorisation des Tribunalpräsidenten binnen kurzem erteilt werden würde. Nücingen ist heute morgen zu mir gekommen, um mich zu fragen, ob ich seinen und meinen Ruin wollte. Ich habe ihm geantwortet, daß ich von alldem nichts verstände, daß ich ein Vermögen hätte und in den Besitz dieses Vermögens gelangen wollte. Alles Weitere ginge meinen Advokaten an, ich wüßte nicht, worum es sich handelte und sei auch nicht imstande, etwas davon zu begreifen. Hattest du mir nicht geraten, so zu sprechen?«
»Das ist richtig«, erwiderte Vater Goriot.