Rastignac war noch um ein Uhr nachts bei Madame de Nücingen. Als sie ihn entließ mit dem Abschiedsgruß der Liebenden, jenem Gruß, der voll ist künftiger Freuden, sagte sie melancholisch:
»Ich bin so ängstlich, so abergläubisch, nennen Sie mein Empfinden, wie Sie wollen, aber ich zittere bei dem Gedanken, daß ich mein Glück mit einer schrecklichen Katastrophe bezahlen muß.«
»Sie Kind!« sagte Eugen.
»Ah, heute abend bin ich also das Kind«, sagte sie lachend.
Eugen kehrte mit der festen Gewißheit, daß er am folgenden Tag ausziehen würde, ins Haus Vauquer zurück. Auf dem Wege überließ er sich ganz den schönen Träumen der Jugend, die noch den Nachgeschmack des Glückes auf den Lippen hat.
»Nun?« fragte Vater Goriot, als Eugen an seiner Tür vorbeikam.
»Ich werde Ihnen alles morgen erzählen«, erwiderte Eugen.
»Alles, nicht wahr?« rief der Alte. »Schlafen Sie gut! Morgen fängt unser glückliches Leben an.«
Am folgenden Tage warteten Goriot und Rastignac nur noch auf einen Dienstmann, um auszuziehen. Da wurde gegen Mittag das Geräusch einer Equipage in der Rue Neuve-Ste-Geneviève laut, die vor der Tür des Hauses Vauquer hielt. Madame de Nücingen war es, die dem Wagen entstieg: Sie fragte, ob ihr Vater noch in der Pension wohne. Auf die bejahende Antwort Sylvias huschte sie die Treppe hinauf. Eugen war in seinem Zimmer, ohne daß Goriot etwas davon wußte. Beim Frühstück hatte er Goriot gebeten, seine Sachen fortschaffen zu lassen, und vereinbart, daß sie sich um vier Uhr in der Rue d'Artois treffen wollten. Aber während der Alte Gepäckträger aufzutreiben suchte, war Eugen schnell zur Universität gegangen, um zu testieren; er war dann, von niemandem bemerkt, zurückgekehrt, um mit Madame Vauquer abzurechnen. Er wollte dies nicht dem Vater Goriot überlassen, weil er in seiner fanatischen Uneigennützigkeit sicher für ihn mitbezahlt hätte. Die Wirtin war fortgegangen. Eugen ging in sein Zimmer, um zu sehen, ob nichts vergessen worden sei. Er freute sich sehr über diesen glücklichen Einfall, denn er fand in der Schublade des Tisches das Blankoakzept, das er Vautrin ausgestellt und das er am Tage, als er Vautrin seine Schuld bezahlte, sorglos fortgelegt hatte. Da im Ofen kein Feuer war, wollte er das Papier in kleine Stücke zerreißen.
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