»Tote Saison, alles ist untergebracht. Woher sollen Pensionäre kommen? Es ist, um den Verstand zu verlieren. Und diese Hexe, die Michonneau, hat mir auch noch den Poiret entführt! Was hat sie ihm angetan, daß er von ihr nicht los kann, daß er ihr folgt wie ein Hund?«
»Ei verflucht«, meinte Sylvia, »diese alten Jungfern kennen sich in allen Kniffen aus.«
»Dieser arme Herr Vautrin, aus dem sie einen Sträfling gemacht haben«, fuhr die Witwe fort, »weißt du, Sylvia, ich kann mir nicht helfen, aber ich glaube es noch nicht: Ein Mann, lustig wie er, der für fünfzehn Francs im Monat Gloriaschnaps nahm und der auf Heller und Pfennig bezahlte!«
»Und der so freigebig mit Trinkgeldern war«, sagte Christoph. »Die Geschichte ist sicher ein Irrtum«, meinte Sylvia.
»Aber nein, er hat selbst gestanden«, erwiderte Madame Vauquer. »Und daß so etwas alles bei mir vorgekommen ist, in einem Viertel, wo keine Katze vorüberstreicht! So wahr ich eine ehrliche Frau bin, ich glaube, ich träume. Denn siehst du, wir haben erlebt, wie Ludwig XVI. sein Malheur hatte, wir haben den Kaiser fallen, wiederkommen und nochmals fallen sehen – alles das waren Dinge, die passieren können. Aber daß einer Pension so was zustößt! Ohne König kann man leben, aber man muß doch essen! Und wenn eine anständige Frau, eine geborene de Conflans, ihren Gästen so gute Sachen vorsetzt – aber da müßte das Ende der Welt nahen . . . Ja, das ist es, das Ende der Welt ist da!«
»Und wenn man denkt, die Michonneau, die Ihnen das angetan hat, die soll, wie man sagt, dreitausend Taler Rente haben«, rief Sylvia.
»Sprich von der nicht, das ist eine Verbrecherin! Und sie geht noch obendrein zur Buneaud! Die ist zu allem fähig, sicher hat sie schon alle möglichen Schandtaten begangen, gestohlen und gemordet! Die wäre besser ins Bagno gegangen anstatt dieses armen Menschen . . .«
Eugen und Vater Goriot schellten.
»Ah, da kommen meine beiden Getreuen«, seufzte die Witwe.