»Ah! Ah! Sie widersetzen sich schon!« sagte sie mit einem leichten Anflug von spöttischer Autorität und machte die hübschen Schmollgrübchen, mit denen die Frauen sich über Bedenken lustig machen, um sie desto besser zu vertreiben.
Eugen konnte jedoch dieser schmeichelnden Widerlegung seiner hohen Grundsätze nicht so leicht nachgeben. Er hatte sich während des Tages zu ernsthaft geprüft, und die Verhaftung Vautrins, die ihm die ganze Tiefe des Abgrundes aufdeckte, in den er beinahe gestürzt wäre, hatte dazu beigetragen, seine guten Vorsätze und sein Ehrgefühl zu bestärken.
»Wie?« sagte Madame de Nücingen, »Sie wollen wirklich ablehnen? Wissen Sie, was das bedeutet? Sie zweifeln an Ihrer Zukunft, Sie wagen nicht, sich mit mir zu verbinden? Fürchten Sie, daß Sie mich eines Tages betrügen werden? Wenn Sie mich lieben, wenn . . . ich Sie liebe, warum schrecken Sie dann vor so kleinen Verbindlichkeiten zurück? Wenn Sie wüßten, welche Freude es mir bereitet, diesen Junggesellenhaushalt einzurichten, so würden Sie nicht zögern, Sie würden mich um Verzeihung bitten. Ich hatte Geld, das Ihnen gehörte, ich habe es gut angelegt – das ist alles. Sie halten sich für groß, und dabei sind Sie so klein. Sie verlangen viel mehr . . .« (Ah! machte sie, den leidenschaftlichen Blick Eugens bemerkend), »und um Kleinigkeiten machen Sie solche Geschichten. Wenn Sie mich nicht lieben, nun gut, dann lehnen Sie ab! Mein Schicksal liegt in einem Wort. So sprechen Sie doch! Aber Vater, reden Sie ihm doch ein wenig zu. Glaubt er, daß ich weniger Ehrgefühl habe als er?«
Vater Goriot hörte und sah diesem schönen Streit mit dem starren Lächeln eines Menschen im Opiumrausch zu.
»Kind, Sie stehen an der Schwelle des Lebens«, fuhr sie fort, indem sie Eugens Hand ergriff. »Sie finden eine Schranke, die für viele Menschen unüberwindlich ist, eine Frau öffnet sie Ihnen, und Sie schrecken zurück! Sie werden Glück haben. Sie haben eine brillante Zukunft, der Erfolg steht Ihnen auf der Stirn geschrieben. Können Sie mir nicht das, was ich Ihnen heute leihe, später zurückgeben? Gaben in früheren Zeiten die Damen nicht ihren Rittern Rüstungen, Degen, Helme, Panzerhemden und Pferde, damit sie in ihrem Namen in den Turnieren kämpfen konnten? Nun, Eugen, die Dinge, die ich Ihnen biete, sind die Waffen unserer Zeit, ein Handwerkszeug, das jedem, der etwas werden will, unentbehrlich ist. Sie müssen jetzt ja in einem hübschen Loch hausen, wenn es bei Ihnen so aussieht wie im Zimmer Papas! Aber warum essen Sie nicht? Wollen Sie mich betrüben? Sprechen Sie doch«, sagte sie, ihm die Hand schüttelnd. »Mein Gott, Papa, bring ihn zur Vernunft, oder ich gehe fort und sehe ihn nie mehr wieder.«
»Ich werde Sie zur Vernunft bringen«, sagte der Vater Goriot, aus seiner Ekstase erwachend. »Mein lieber Herr Eugen, Sie wollen Geld beim Wucherer leihen, nicht wahr?«
»Es wird wohl nötig sein«, sagte er.