Er ging zu der alten Jungfer und sagte ihr einige Worte ins Ohr.
»Meine Rechnung ist bezahlt, ich kann für mein Geld genausogut bleiben wie die anderen«, sagte sie mit einem Viperblick auf die Pensionäre.
»Daran soll es nicht hapern, wir legen zusammen, um Ihnen Ihr Geld zurückzugeben«, sagte Rastignac.
»Der Herr hält es mit Collin«, erwiderte sie mit einem giftigen, forschenden Blick auf den Studenten, »man begreift schon, weshalb.«
Eugen sprang bei diesen Worten auf, als wenn er sich auf die alte Jungfer stürzen wollte, um sie zu erdrosseln. Dieser Blick, dessen ganze Hinterlist er verstand, warf ein schreckliches Licht in seine Seele.
»Lassen Sie sie doch!« riefen die Pensionäre.
Rastignac kreuzte die Arme und schwieg.
»Nun aber Schluß mit Fräulein Judas«, wandte sich der Maler an Madame Vauquer. »Wenn Sie die Michonneau nicht hinauswerfen, verlassen wir alle Ihre Baracke und werden überall erzählen, daß man bei Ihnen nur Spitzel und Sträflinge findet. Andernfalls werden wir alle über den Vorfall schweigen, der schließlich in der besten Gesellschaft vorkommen kann. Oder man müßte die Galeerensträflinge auf der Stirn brandmarken und ihnen verbieten, sich als brave Bürger von Paris zu verkleiden und sich als Spaßvögel beliebt zu machen.«
Diese Worte brachten Madame Vauquer wie durch ein Wunder wieder zu sich. Sie wandte sich um, kreuzte die Arme und öffnete die Augen, die vollkommen klar und ohne eine Spur von Tränen waren.
»Aber, mein lieber Herr, wollen Sie denn den Ruin meines Hauses? Da ist Herr Vautrin . . . O mein Gott«, unterbrach sie sich, »ich kann mir nicht helfen, ich muß ihn noch bei seinem ehrlichen Namen nennen! Da ist also ein Appartement frei, und Sie wollen, daß ich noch zwei dazu leerstehen habe, in einer Saison, wo alle Welt untergebracht ist.«
»Meine Herren, nehmen Sie Ihre Hüte, wir gehen zu Flicoteaux auf der Sorbonne essen«, rief Bianchon. Madame Vauquer hatte im Handumdrehen errechnet, auf welcher Seite ihr der größere Vorteil winkte. Sie schleppte sich zu Fräulein Michonneau.
»Mein bestes, schönstes Kind, Sie wollen doch nicht den Ruin meines Unternehmens, wie? Sie sehen selbst, wie die Herren mich zwingen. Gehen Sie für heute abend auf Ihr Zimmer.«
»Nein, nein!« schrien die Pensionäre, »sie soll sofort das Haus verlassen.«
»Aber sie hat nicht mal zu Abend gegessen, das arme Fräulein«, sagte Poiret in wehleidigem Tone.