»Wer hat mich verraten?« sagte Collin und ließ seinen schrecklichen Blick über die Versammlung schweifen.
»Du bist es«, sagte er, »altes Klappergestell! Du hast mir den Schlaganfall beigebracht, Schnüfflerin! . . . Ich brauchte bloß zwei Worte zu sagen, und in acht Tagen säße dein Kopf nicht mehr auf seiner Stange. Aber ich vergebe dir, ich bin ein Christ. Eigentlich bist du es ja auch nicht, die mich verkauft hat. Aber wer bloß? – Ah! Ihr sucht da oben«, rief er, als er die Polizeibeamten hörte, die seine Schränke öffneten und sich seiner Sachen bemächtigten. »Das Nest ist leer, die Vögel sind gestern fortgeflogen. Ihr werdet nichts erfahren. Meine Geschäftsbücher sind hier«, sagte er, sich vor die Stirn schlagend. »Jetzt weiß ich, wer mich verkauft hat. Das kann nur dieser Schuft von Fil-de-Soie sein. Stimmt's, Herr Kerkermeister?« sagte er zum Polizeichef. »Das muß stimmen wegen der Gelder, die da oben waren. Ist nichts mehr da, meine Herren Spitzel. Was Fil-de-Soie betrifft, so ist er in vierzehn Tagen erledigt, auch wenn ihr eure ganze Gendarmerie als Ehrenwache stellt. – Was habt ihr der Michonnette gegeben?« sagte er zu den Polizisten. »Tausend Taler? Ich bin mehr wert, verfaulte Ninon, Pompadour in Lumpen, Venus vom Père Lachaise! Wenn du mir das gesagt hättest, hättest du sechstausend Francs gehabt. Ah! Das hättest du nicht geglaubt, alte Kuppelmutter; sonst hättest du dich an mich gehalten. Ja, soviel hätte ich gegeben, um eine unangenehme Reise zu vermeiden, die mich viel Geld kostet«, sagte er, während man ihm die Handschellen anlegte. »Diese Kerle haben große Lust, mich endlos herumzuschleppen, um mich kleinzukriegen. Wenn sie mich sofort ins Bagno schickten, wäre ich bald wieder an der Arbeit trotz unserer kleinen Schwätzer vom Quai des Orfèvres. Da unten werden sie alle das Unmöglichste tun, um den guten Trompe-la-Mort, ihren General, wieder herauszubringen. Hat einer von euch auch zehntausend Brüder, die bereit sind, alles für ihn zu tun?« fragte er stolz. »Hier, da, das ist gut«, sagte er, sich an das Herz schlagend, »niemals habe ich jemanden verraten! Sieh sie dir an, die anderen, alte Heuschrecke!« sagte er zu der alten Jungfer. »Ich bin ihnen schrecklich, aber vor dir ekelt es sie. Trage dein Los in Geduld!«
Er warf einen Blick auf die Pensionäre und fuhr dann fort: »Was macht ihr für dumme Gesichter? Habt ihr noch nie einen Sträfling gesehen? Ein Sträfling vom Format Collins, den ihr hier vor euch seht, ist nicht so feige wie andere Menschen. Er protestiert gegen die ganze Verlogenheit des Gesellschaftsvertrages, wie Jean Jacques sagt, dessen Schüler ich mich zu sein rühme. Ich stehe allein gegen die Regierung mit ihrem Haufen von Gerichten, Gendarmen und Budgets, und ich wickle sie ein.«
»Verflucht«, sagte der Maler, »er wäre wunderschön zu zeichnen.«
»Mein lieber Herr Henker, verehrter Gouverneur der ›Witwe‹« (diesen Namen voll grausigen Witzes geben die Sträflinge der Guillotine), wandte er sich an den Polizeichef, »geh, sei so gut, sag mir, ob Fil-de-Soie mich verkauft hat. Ich will nicht, daß er für einen anderen zahlt, das wäre nicht gerecht.«
Die Beamten, die in seinem Zimmer alles geöffnet und das ganze Inventar aufgenommen hatten, kamen zurück und sprachen leise mit dem Führer des Unternehmens. Das Protokoll war fertig.