»Bleiben Sie bei ihm, um ihn zu pflegen«, erwiderte Vautrin. »Das ist Ihre Pflicht«, flüsterte er ihr ins Ohr, »als zukünftige gehorsame Hausfrau. Er betet Sie an, der junge Mann, und Sie werden einmal sein Frauchen, ich prophezeie es Ihnen.« Dann sagte er laut: »Und sie waren geachtet im ganzen Lande, lebten glücklich und hatten viele Kinder. So enden alle Liebesromane.« Er wandte sich zu Madame Vauquer und drückte sie an sich: »Also, Mama, setz den neuen Hut auf, zieh das Kleid mit den Blumen an, und nimm den Komtessenschal. Ich gehe los und hole einen Fiaker.« Er verließ das Zimmer und sang:
»Sonne, Sonne, göttliche Sonne,
Die den Kürbis bringt zur Reife . . .«
»Mein Gott, sagen Sie bloß, Madame Couture«, meinte die Vauquer, »dieser Mensch würde einen glücklich machen, auch wenn man unterm Dach hausen müßte.« Dann wandte sie sich zu Vater Goriot: »Der Alte ist hinüber. Der alte Geizkragen ist niemals auf den Gedanken gekommen, mich wohin zu führen. Mein Gott, er fällt ja gleich vom Stuhl! Wie unanständig von so einem alten Mann, so den Verstand zu verlieren! Aber man kann sagen: Was man nicht hat, kann man nicht verlieren. Sylvia, bring ihn nach oben.«
Sylvia faßte den Alten unter die Arme, schleppte ihn die Treppen hinauf und warf ihn in seinen Kleidern, wie ein Paket, auf das Bett.
»Armer junger Mann«, sagte Madame Couture, die Eugen die Haare zurückstrich, die ihm über die Augen fielen, »er ist wie ein junges Mädchen, er ist solche Exzesse nicht gewöhnt.«
»Aber seien Sie doch ruhig«, rief Madame Couture, »Sie sagen da Dinge . . .«
»Bah! Er hört ja nichts. Sylvia, hilf mir beim Anziehen! Ich nehme das große Korsett.«
»So! Das große Korsett, nach dem Essen!« sagte Sylvia. »Dann müssen Sie sich jemand anders zum Zuschnüren suchen, ich will nicht Ihre Mörderin werden. Das kann Ihnen ja das Leben kosten, wenn Sie solche Dummheiten machen!«
»Das ist mir egal. Ich muß Herrn Vautrin die Ehre antun.«
»Sie meinen es wohl gut mit Ihren Erben?«