Man wird sich wundern, daß Poiret, ein ehemaliger Beamter, ohne Zweifel ein Mann von bürgerlichen Tugenden, wenn auch ohne Ideen, weiter den angeblichen Rentner aus der Rue de Buffon anhörte, nachdem dieser das Wort »Polizei« ausgesprochen und so unter der Maske eines ehrlichen Mannes seine wahre Natur als Agent der Rue de Jerusalem hatte durchblicken lassen. –
Indessen – nichts war natürlicher. Denn in der großen Familie der Dummköpfe gehörte Poiret einer besonderen Spezies an, und zu ihrem Verständnis tragen sehr die Feststellungen gewisser Beobachter bei, die indes bis heute noch unveröffentlicht sind. Danach gibt es eine Gattung Federfuchser, die im Budget zwischen dem ersten und dritten Breitengrad eingezwängt sind. In den nördlichen Breiten, einer Art Beamten-Grönland, leben die Gehälter von 1200 Francs, während im dritten, in der gemäßigten Zone, die etwas wärmeren Gehälter von 3000 bis 6000 Francs beginnen. Hier gedeiht, trotz ungünstiger Bodenverhältnisse, die Gratifikation. Die ganze Engstirnigkeit dieser subalternen Sippschaft wird durch ein besonderes Merkmal klar: unfreiwilliger, maschinenmäßiger, instinktiver Respekt vor dem Dalai Lama des Ministeriums, dem Beamten durch eine unleserliche Unterschrift vertraut und bekannt unter der Bezeichnung: Seine Exzellenz der Herr Minister, fünf magische Worte, die den gleichen Wert haben wie »il Bondo Cani!« im »Kalif von Bagdad«. In den Augen dieser platten Gesellschaft bedeutet dieser Mann eine heilige Macht, eine höchste Instanz. Wie der Papst für die Christen, so ist Seine Exzellenz in seiner Verwaltung für den Beamten unfehlbar. Der Glanz, den er ausstrahlt, überträgt sich auf seine Handlungen und Worte. Er deckt alles mit der Stickerei seines Fracks, und alles, was er anordnet, ist gesetzlich. Sein Name »Exzellenz«, der die Reinheit seiner Absichten und die Heiligkeit seines Wollens andeuten soll, dient den zweifelhaftesten Ideen als Paß. Was diese armen Kerle niemals aus eigenem Interesse tun würden, tun sie auf der Stelle, sobald das Wort »Seine Exzellenz« ertönt. Die Büros kennen einen Kadavergehorsam, genauso wie die Armee: ein System, das das Gewissen erstickt, die Menschen zunichte macht und sie schließlich nur noch Schrauben und Nägel an der Regierungsmaschine sein läßt. Goudureau hatte als guter Menschenkenner bald heraus, daß Poiret einer dieser bürokratischen Dummköpfe war, und er brachte den Deus ex machina, das Talismanwort: »Seine Exzellenz« in dem Moment vor, wo er unter Demaskierung seiner Batterien Poiret blenden mußte. Er schien ihm eine Art männlicher Michonneau zu sein, wie die Michonneau eine Art weiblicher Poiret.
»Sobald Seine Exzellenz selbst, Seine Exzellenz der Herr . . . Ah! Das ist natürlich etwas anderes«, sagte Poiret.
»Sie hören, wie der Herr denkt, auf dessen Urteil Sie mir Wert zu legen scheinen«, wandte sich der falsche Rentner an Fräulein Michonneau. »Also Seine Exzellenz hat nunmehr die vollständige Gewißheit, daß der angebliche Vautrin, wohnhaft im Hause Vauquer, ein aus dem Lager von Toulon entwichener Sträfling ist, der dort unter dem Namen Trompe-la-Mort bekannt ist.«