»Weiß Gott«, dachte Eugen, als er sich schlafen legte, »ich glaube, daß ich mein ganzes Leben lang ein anständiger Mensch bleiben werde. Es ist doch eine Freude; den Eingebungen des Gewissens zu folgen.«
Vielleicht tun nur die Menschen im geheimen Gutes, die an Gott glauben, und Eugen glaubte an Gott. Am folgenden Tage begab sich Rastignac um die Stunde des Balles zu Madame de Beauséant, die ihn zur Herzogin von Carigliano mitnahm, um ihn vorzustellen. Er wurde von der Marschallin, bei der er auch Madame de Nücingen traf, auf das gnädigste aufgenommen. Delphine hatte sich schöngemacht, um allen und dadurch um so mehr Eugen zu gefallen. Ungeduldig erwartete sie seinen Blick, im Glauben, ihre Unruhe verbergen zu können. Für den, der die Herzensregungen einer Frau zu deuten weiß, ist solch ein Augenblick voller Wonne. Wer hat sich nicht schon darin gefallen, eine Frau auf eine Beifallsäußerung warten zu lassen, in der Unruhe, die man erregt, das Geständnis zu erblicken, sich an der Furcht, den holden Ängsten zu freuen, die man dann durch ein Lächeln zerstreut? Während des Balles konnte der Student die ganze Bedeutung seiner Position abschätzen. Er sah, daß er in der Gesellschaft als anerkannter Vetter der Madame de Beauséant eine Rolle spielte. Die Eroberung der Madame de Nücingen, die man ihm schon zusprach, gab ihm ein solches Relief, daß alle jungen Leute ihm neidische Blicke zuwarfen. Als er das bemerkte, genoß er die ersten Freuden der Eitelkeit. Während er von dem einen Salon zum anderen ging und die Gruppen der Gäste streifte, hörte er sein Glück rühmen. Alle Frauen sagten ihm Erfolge voraus. Delphine, die fürchtete, ihn zu verlieren, versprach, ihm heute den Kuß nicht zu verweigern, den sie ihm bei der Rückkehr von der Oper vorenthalten hatte. Rastignac erhielt während des Balles mehrere Einladungen. Durch seine Cousine wurde er einigen Damen vorgestellt, die alle auf Eleganz hielten und deren Häuser sehr gesucht waren. Er sah sich in der großen, schönen Gesellschaft von Paris lanciert. So hatte dieser Abend den Reiz eines glänzenden Debüts. Er entsann sich seiner noch in seinen späten Tagen, wie ein junges Mädchen sich des Balls erinnert, auf dem es seine ersten Triumphe gefeiert hat. Als er am folgenden Tage beim Frühstück in Gegenwart der Tischgenossen seine Erfolge dem Vater Goriot erzählte, brach Vautrin in ein teuflisches Lachen aus.