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Vater Goriot 高老头-90
日期:2018-10-16 10:24  点击:293
»Weiß Gott«, dachte Eugen, als er sich schlafen legte, »ich glaube, daß ich mein ganzes Leben lang ein anständiger Mensch bleiben werde. Es ist doch eine Freude; den Eingebungen des Gewissens zu folgen.«
 
Vielleicht tun nur die Menschen im geheimen Gutes, die an Gott glauben, und Eugen glaubte an Gott. Am folgenden Tage begab sich Rastignac um die Stunde des Balles zu Madame de Beauséant, die ihn zur Herzogin von Carigliano mitnahm, um ihn vorzustellen. Er wurde von der Marschallin, bei der er auch Madame de Nücingen traf, auf das gnädigste aufgenommen. Delphine hatte sich schöngemacht, um allen und dadurch um so mehr Eugen zu gefallen. Ungeduldig erwartete sie seinen Blick, im Glauben, ihre Unruhe verbergen zu können. Für den, der die Herzensregungen einer Frau zu deuten weiß, ist solch ein Augenblick voller Wonne. Wer hat sich nicht schon darin gefallen, eine Frau auf eine Beifallsäußerung warten zu lassen, in der Unruhe, die man erregt, das Geständnis zu erblicken, sich an der Furcht, den holden Ängsten zu freuen, die man dann durch ein Lächeln zerstreut? Während des Balles konnte der Student die ganze Bedeutung seiner Position abschätzen. Er sah, daß er in der Gesellschaft als anerkannter Vetter der Madame de Beauséant eine Rolle spielte. Die Eroberung der Madame de Nücingen, die man ihm schon zusprach, gab ihm ein solches Relief, daß alle jungen Leute ihm neidische Blicke zuwarfen. Als er das bemerkte, genoß er die ersten Freuden der Eitelkeit. Während er von dem einen Salon zum anderen ging und die Gruppen der Gäste streifte, hörte er sein Glück rühmen. Alle Frauen sagten ihm Erfolge voraus. Delphine, die fürchtete, ihn zu verlieren, versprach, ihm heute den Kuß nicht zu verweigern, den sie ihm bei der Rückkehr von der Oper vorenthalten hatte. Rastignac erhielt während des Balles mehrere Einladungen. Durch seine Cousine wurde er einigen Damen vorgestellt, die alle auf Eleganz hielten und deren Häuser sehr gesucht waren. Er sah sich in der großen, schönen Gesellschaft von Paris lanciert. So hatte dieser Abend den Reiz eines glänzenden Debüts. Er entsann sich seiner noch in seinen späten Tagen, wie ein junges Mädchen sich des Balls erinnert, auf dem es seine ersten Triumphe gefeiert hat. Als er am folgenden Tage beim Frühstück in Gegenwart der Tischgenossen seine Erfolge dem Vater Goriot erzählte, brach Vautrin in ein teuflisches Lachen aus.
 
»Und Sie glauben«, rief dieser furchtbare Logiker, »daß ein junger Modeheld in der Rue Neuve-Ste-Geneviève wohnen kann, im Hause Vauquer, in einer Pension, die gewiß in jeder Hinsicht anerkennenswert ist, aber doch nichts weniger als fashionable? Das Haus ist reich, es glänzt vor Überfluß, es ist stolz darauf, zeitweilig zur Stammburg eines Rastignac erhoben zu sein; aber schließlich – es liegt in der Rue Neuve-Ste-Geneviève, es kennt keinen Luxus, und es ist sehr ›patriarcholorama‹. Mein junger Freund«, fuhr Vautrin in einer Art väterlichen Spottes fort, »wenn Sie in Paris Figur machen wollen, dann müssen Sie drei Pferde und einen Tilbury für den Morgen haben, ein Coupé für den Abend, alles in allem 9000 Francs fürs Kutschieren. Sie wären Ihres Schicksals unwürdig, wenn Sie nicht 3000 Francs bei Ihrem Schneider ausgäben, 600 Francs beim Parfümeur, 300 Francs für Schuhe und dieselbe Summe beim Huthändler. Ihre Wäscherei wird Ihnen 1000 Francs kosten. Die jungen Leute müssen in puncto Wäsche sehr stark sein. Das ist etwas, was man am meisten prüft. Die Liebe und die Kirche wollen hübsche Tücher auf ihren Altären. Wir sind bei 14 000 Francs. Ich will nicht davon reden, was Sie beim Spiel und durch Wetten verlieren und was Sie an Geschenken ausgeben. Das Taschengeld muß man mindestens auf 2000 Francs rechnen. Ich habe selbst mal dieses Leben geführt, ich weiß, was man verbraucht . . . Nun kommen noch 6000 Francs fürs Futter, 1000 Francs für die Bude. Also, mein Junge, das heißt schon unsere runden 25 000 Francs in der Tasche haben, oder wir liegen im Dreck, man lacht uns aus, und zu Ende ist es mit unserer Zukunft, unseren Erfolgen, unseren Geliebten! Ich vergaß noch ganz den Kammerdiener und den Groom! Oder soll Ihnen Christoph Ihre Liebesbriefe austragen? Wollen Sie auf dem Briefpapier, das Sie jetzt benutzen, auch weiterhin schreiben? Das bedeutet Selbstmord! Glauben Sie einem Greis von Erfahrung. Entweder Sie verschließen sich in der tugendhaften Mansarde mit der Arbeit als Liebchen, oder Sie müssen einen anderen Weg einschlagen.« 

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