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Vater Goriot 高老头-81
日期:2018-10-16 09:47  点击:289
»Zeigen Sie mir den Brief«, sagte der Alte zu Eugen, als dieser gelesen hatte. »Sie gehen doch hin, nicht wahr?« fuhr er fort und schnüffelte an dem Papier. »Wie gut das riecht! Aber ihre Finger sind auch darüber gegangen.«
 
Eine Frau wirft sich nicht so jemandem an den Hals, sagte sich der Student. Sie will sich meiner bedienen, um de Marsey wieder zu erobern. Nur der Liebeskummer kann zu einer solchen Handlungsweise führen.
 
»Woran denken Sie denn?« fragte Vater Goriot.
 
Eugen wußte nichts von dem Delirium der Eitelkeit, das zu dieser Zeit so viele Frauen erfaßt hatte. Er wußte nicht, daß die Frau eines Bankiers zu allen Opfern bereit war, wenn sie sich dadurch den Zutritt zum Faubourg St-Germain verschaffen konnte. Damals kam die Mode auf, jede Frau über alles zu stellen, die zur Gesellschaft des Faubourg St-Germain zugelassen war: Man nannte sie die Damen des Petit Château. Unter ihnen nahmen Madame de Beauséant, ihre Freundin, die Herzogin von Langeais, und die Herzogin von Maufrigneuse den ersten Rang ein. Nur Rastignac wußte nicht, mit welcher Tollheit die Frauen der Chaussée d'Antin danach strebten, in den höheren Kreis einzudringen, wo die vornehmsten Sterne ihres Geschlechts glänzten. Aber sein Mißtrauen war ihm förderlich, es verlieh ihm die notwendige Kälte und die traurige Macht, seine Bedingungen zu stellen, statt sie sich diktieren zu lassen.
 
»Ja, ich werde hingehen«, erwiderte er.
 
So führte ihn die Neugierde zu Madame de Nücingen, während ihn, wenn diese Frau ihn verschmäht hätte, vermutlich die Leidenschaft zu ihr getrieben haben würde. Trotzdem erwartete er den folgenden Tag und die Stunde des Besuches nicht ohne eine gewisse Ungeduld. Für einen jungen Mann hat die erste Intrige vielleicht ebensoviel Reiz wie die erste Liebe. Die Gewißheit, Erfolg zu haben, schafft tausend Glückszustände, die sich die Männer nicht eingestehen und die den ganzen Reiz gewisser Frauen ausmachen. Die Begierde entsteht ebensosehr aus der Schwierigkeit wie aus der Leichtigkeit des Sieges. Alle Leidenschaften der Männer werden sicherlich durch die eine oder die andere dieser beiden Ursachen geschaffen und genährt, die das Liebesreich in zwei Lager teilen. Vielleicht ist diese Teilung eine Folge der schwerwiegenden Frage der Temperamente, die, man mag sagen, was man will, die Gesellschaft beherrscht. Wenn die Melancholiker das Reizmittel der Koketterie brauchen, so räumen vielleicht die Nervösen oder Sanguiniker das Feld, wenn der Widerstand zu lange dauert. Mit anderen Worten: Genauso, wie die Elegie vom Säftesystem abhängt, hängt der Dithyrambus mit der Galle zusammen. 

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