»Zeigen Sie mir den Brief«, sagte der Alte zu Eugen, als dieser gelesen hatte. »Sie gehen doch hin, nicht wahr?« fuhr er fort und schnüffelte an dem Papier. »Wie gut das riecht! Aber ihre Finger sind auch darüber gegangen.«
Eine Frau wirft sich nicht so jemandem an den Hals, sagte sich der Student. Sie will sich meiner bedienen, um de Marsey wieder zu erobern. Nur der Liebeskummer kann zu einer solchen Handlungsweise führen.
»Woran denken Sie denn?« fragte Vater Goriot.
Eugen wußte nichts von dem Delirium der Eitelkeit, das zu dieser Zeit so viele Frauen erfaßt hatte. Er wußte nicht, daß die Frau eines Bankiers zu allen Opfern bereit war, wenn sie sich dadurch den Zutritt zum Faubourg St-Germain verschaffen konnte. Damals kam die Mode auf, jede Frau über alles zu stellen, die zur Gesellschaft des Faubourg St-Germain zugelassen war: Man nannte sie die Damen des Petit Château. Unter ihnen nahmen Madame de Beauséant, ihre Freundin, die Herzogin von Langeais, und die Herzogin von Maufrigneuse den ersten Rang ein. Nur Rastignac wußte nicht, mit welcher Tollheit die Frauen der Chaussée d'Antin danach strebten, in den höheren Kreis einzudringen, wo die vornehmsten Sterne ihres Geschlechts glänzten. Aber sein Mißtrauen war ihm förderlich, es verlieh ihm die notwendige Kälte und die traurige Macht, seine Bedingungen zu stellen, statt sie sich diktieren zu lassen.
»Ja, ich werde hingehen«, erwiderte er.