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Vater Goriot 高老头-80
日期:2018-10-16 09:47  点击:244
»Entsinnst du dich der Stelle, wo er den Leser fragt, was er machen würde, wenn er dadurch reich werden könnte, daß er durch seinen bloßen Willen, ohne sich aus Paris zu rühren, in China einen alten Mandarin tötete?«
 
»Ja.«
 
»Nun, was sagst du dazu?«
 
»Bah, ich bin schon bei meinem 33. Mandarin.«
 
»Scherze nicht! Also, wenn das möglich wäre und wenn ein Kopfnicken genügte, würdest du es tun?«
 
»Ist er sehr alt, der Mandarin? Aber, bah, ob alt, ob jung, paralytisch oder gesund, meiner Treu . . . Verflucht! Nun denn: Nein!«
 
»Du bist ein braver Bursche, Bianchon. Aber wenn du eine Frau so liebtest, daß du deine Seele für sie hingeben könntest, und wenn du Geld brauchtest, viel Geld, für ihre Toilette, für ihren Wagen, für alle ihre Launen?«
 
»Aber du nimmst mir die Vernunft und willst, daß ich vernünftige Schlüsse ziehe!«
 
»Nun gut, Bianchon, ich bin verrückt, heile mich! Ich habe zwei Schwestern, Engel an Schönheit und Reinheit, ich will, daß sie glücklich werden. Woher binnen fünf Jahren zweihunderttausend Francs für ihre Mitgift nehmen? Es gibt, weißt du, Lebenslagen, wo man nur großes Spiel spielen kann und wo man sein Glück nicht mißbrauchen darf, wenn man einige Sous verdienen will.«
 
»Du stellst die Fragen, die sich für jeden Menschen beim Eintritt ins Leben ergeben, und du willst den gordischen Knoten durchhauen. Um das zu tun, mein Lieber, muß man Alexander sein, sonst – fliegt man ins Zuchthaus. Ich für meinen Teil bin zufrieden mit der kleinen Existenz, die ich mir in der Provinz schaffen werde, wo ich ganz einfach die Nachfolge meines Vaters antrete. Die menschlichen Wünsche sind im engsten Kreise genauso zu befriedigen wie im größten. Auch Napoleon konnte nicht zweimal hintereinander Mittag essen und nicht mehr Geliebte haben als ein kleiner Student der Medizin, der in der Klinik wohnt. Unser Glück, mein Lieber, ist immer nur zwischen den Fußsohlen und dem Kleinhirn zu finden. Ob es eine Million oder 100 Louis im Jahre kostet – das, was wir in unserem Innern erhalten, ist stets dasselbe. Ich bin dafür, daß der Chinese am Leben bleibt!«
 
»Danke, du hast mir wohlgetan, Bianchon, wir werden immer Freunde bleiben.«
 
»Noch eins«, sagte der junge Mediziner, »als ich heute aus Cuviers Kolleg kam und in den Jardin des Plantes ging, habe ich die Michonneau und Poiret auf einer Bank mit einem Mann plaudern sehen, den ich bei den Unruhen des vergangenen Jahres in der Nähe der Deputiertenkammer bemerkt habe. Er scheint mir ein Polizeispitzel zu sein, der sich als biederen Rentner ausgibt. Beobachten wir das Paar weiter: Ich werde dir später sagen, weshalb. Adieu, ich muß zu meiner Vorlesung, um vier Uhr.« 

Als Eugen zur Pension zurückkehrte, wartete Vater Goriot schon auf ihn. »Hier«, sagte der Alte, »ist ein Brief von ihr. Eine schöne Handschrift, was?«
 
Eugen öffnete den Brief und las:
 
»Mein Herr!
 
Mein Vater hat mir erzählt, wie sehr Sie die italienische Musik lieben. Ich wäre glücklich, wenn Sie mir das Vergnügen bereiten könnten, einen Platz in meiner Loge anzunehmen. Sonnabend haben wir die Fodor und Pellegrini. Ich bin daher sicher, daß Sie nicht ablehnen werden. Herr von Nücingen schließt sich mir an, um Sie zu bitten, mit uns, ganz ohne Umstände, zu speisen. Wenn Sie annehmen, wird er sich sehr freuen, da Sie ihn von der ehelichen Pflicht der Begleitung befreien. Antworten Sie nicht, kommen Sie, und seien Sie gegrüßt
 
von Ihrer
 
D. de N.«

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