»La, la, la, nur ruhig Blut!« erwiderte er. »Seien Sie doch kein Kind. Aber meinetwegen können Sie auch, wenn es Ihnen Spaß macht, wütend werden und aufbrausen. Sagen Sie ruhig, daß ich ein Nichtswürdiger, ein Verbrecher, ein Schuft, ein Bandit bin, aber nennen Sie mich nicht Betrüger und Spion! Nur los, heraus damit! Ich verzeihe Ihnen, es ist so natürlich in Ihrem Alter! So bin ich auch einmal gewesen. Aber denken Sie einmal nach! Sie werden eines Tages noch etwas Schlimmeres machen. Sie werden mit einer hübschen Frau kokettieren und dann von ihr Geld annehmen. Sie haben sogar schon daran gedacht! Denn wie sollen Sie Erfolg haben, wenn Sie nicht Ihre Liebe eskomptieren? Die Tugend, mein lieber Student, ist nicht teilbar: Sie ist da oder sie ist nicht da. Man spricht nur davon, wir sollten für unsere Sünden Buße tun. Ein hübsches System, durch einen Akt der Zerknirschung ein Verbrechen loszuwerden! Eine Frau verführen, um eine gewisse Stufe der sozialen Rangordnung zu erreichen, Zwietracht in eine Familie säen, alle diese Gemeinheiten, die hinter dem Ofenschirm begangen werden, aus persönlichen Interessen oder nur zum Vergnügen, glauben Sie, daß das Akte des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe sind? Warum wird ein Dandy nur zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt, der einem Mädchen in einer Nacht die Hälfte ihres Vermögens stiehlt, warum wirft man den armen Teufel ins Bagno, der unter erschwerenden Umständen einbricht, um 1000 Francs zu stehlen? Da haben Sie Ihre Gesetze. Nicht einen Paragraphen gibt es, der nicht zum Unsinn führt. Der Herr mit honigsüßen Worten und honigfarbenen Handschuhen begeht einen Mord, bei dem man kein Blut vergießt, sondern es freiwillig hergibt; der Mörder öffnet eine Tür mit einem Dietrich, zwei nächtliche Ereignisse! Zwischen dem, was ich Ihnen vorschlage, und dem, was Sie eines Tages tun werden, macht nur das Blutvergießen einen Unterschied. Sie glauben noch an etwas Festes in der Welt? Verachten Sie lieber die Menschen, und sehen Sie, durch welche Lücken des Gesetzes man schlüpfen kann! Das Geheimnis der großen Vermögen, deren Entstehung unbekannt ist, ist irgendein Verbrechen, das man vergessen hat, weil es geschickt begangen wurde.«
»Schweigen Sie, Herr! Ich will nichts mehr hören, Sie machen mich sonst an mir selber zweifeln. In diesem Augenblick ist mein Gefühl alles, was ich weiß!«
»Wie es Ihnen beliebt, mein Junge! Ich habe Sie für stärker gehalten«, erwiderte Vautrin, »ich werde Ihnen nichts mehr sagen. Aber noch ein letztes Wort!«
Er sah den Studenten fest an: »Sie sind in mein Geheimnis eingeweiht«, sagte er.
»Ein junger Mann, der Sie zurückweist, wird zu vergessen wissen«, war die Antwort.
»Das haben Sie gut gesagt, das gefällt mir. Ein anderer, sehen Sie, wäre weniger gewissenhaft. Denken Sie an das, was ich für Sie tun will. Ich gebe Ihnen 14 Tage Frist: Sie haben die Wahl!«