»Ah! Da sind wir also beim Thema. Noch zwei Worte«, fuhr Vautrin fort, »und alles klärt sich auf. Vater Taillefer ist ein alter Schurke, der während der Revolution einen seiner Freunde ermordet haben soll. Er ist ein Kerl, der zu den Brüdern mit selbständigen Ansichten gehört. Er ist Bankier, der Hauptteilhaber des Hauses Frédéric Taillefer et Comp. Er hat einen einzigen Sohn, dem er zum Schaden Victorines sein ganzes Vermögen hinterlassen will. Solche Ungerechtigkeiten liebe ich nun einmal nicht. Ich bin wie Don Quichote, ich verteidige stets den Schwachen gegen den Stärkeren. Wenn es der Wille Gottes wäre, den jungen Taillefer zu sich zu rufen, so würde der Alte Victorine wieder aufnehmen. Er braucht irgendeinen Erben – ein dummes, aber durchaus natürliches Gefühl –, und er wird keine Kinder mehr haben, ich weiß es. Victorine ist umgänglich und sanft, sie wird ihren Vater bald eingewickelt haben, und er wird wie ein Kreisel, nur von seinem Vatergefühl getrieben, nach ihren Wünschen tanzen. Victorine wird von Ihrer Liebe zu tief beeindruckt sein, als daß sie Sie vergessen könnte. Sie werden sie heiraten. Ich selbst spiele dabei die Rolle der Vorsehung, ich werde den Willen des lieben Gottes ersetzen. Ich habe einen Freund, für den ich früher einmal viel getan habe, einen ehemaligen Oberst der Loirearmee, der jetzt in der königlichen Garde dient. Er hört auf meine Ratschläge und ist Ultraroyalist geworden: Er gehört nicht zu den Dummköpfen, die an ihren Anschauungen festhalten. Wenn ich Ihnen noch einen Rat geben soll, mein Engel: Klammern Sie sich nicht an Ihre Ansichten und Ihre Worte. Verkaufen Sie sie, wenn man es von Ihnen wünscht. Ein Mann, der sich rühmt, niemals seine Meinung zu ändern, ist wie jemand, der immer nur geradeaus gehen will, ein Dummkopf, der an die Unfehlbarkeit glaubt. Es gibt keine Grundsätze, es gibt nur Ereignisse: Es gibt keine Gesetze, es gibt nur Zustände. Der höher veranlagte Mensch bedient sich der Ereignisse und Zustände, um sie zu lenken. Wenn es Grundsätze und feste Gesetze gäbe, so würden die Völker sie nicht wechseln, wie wir unser Hemd wechseln. Man ist nicht verpflichtet, weiser zu sein als eine ganze Nation. Der Mann, der Frankreich die schlechtesten Dienste geleistet hat, wird wie ein Fetisch verehrt, weil er stets ein braver Republikaner war. Man kann ihn höchstens ins Museum stellen, unter die alten Maschinen mit einem Etikett daran ›La Fayette‹ zur Kennzeichnung. Während der Fürst, nach dem jeder mit Steinen wirft, der die Menschheit so sehr verachtet, daß er ihr so viel Schwüre ins Gesicht spuckt, wie sie nur wünscht, die Aufteilung Frankreichs auf dem Wiener Kongreß verhindert hat: Man schuldet ihm Kränze, und statt dessen bewirft man ihn mit Kot. Oh! ich kenne den Lauf der Welt, ich weiß manche Geheimnisse! Aber Schluß damit. Auch meine Meinung wird an dem Tag unerschütterlich sein, an dem ich drei Leute über die Anwendung eines Prinzips einig sehe; aber ich werde lange warten können. Man findet vor Gericht nicht drei Richter, die über denselben Gesetzesartikel einig wären. Um auf meinen Mann zurückzukommen: Er würde Jesus Christus noch einmal kreuzigen, wenn ich es von ihm forderte. Auf ein bloßes Wort des Papa Vautrin wird er mit diesem Burschen Händel suchen, der seiner armen Schwester nicht einmal fünf Francs gibt und . . .«
Hier erhob sich Vautrin, ging in Fechterstellung und nahm die Haltung eines Fechtmeisters an, der einen Ausfall macht.
»Erledigt!« fügte er dann hinzu.