»Was soll ich tun?« unterbrach Rastignac hastig.
»Fast nichts«, antwortete Vautrin, dem eine leichte, unwillkürliche Gebärde der Freude entschlüpfte, der stummen Geste des Anglers vergleichbar, der die Beute am Köder spürt. »Hören Sie mir gut zu! Das Herz eines unglücklichen jungen Mädchens sucht sich mit Liebe vollzusaugen wie ein Schwamm, der ausgetrocknet war. Machen Sie einer jungen Person den Hof, die heute einsam, arm und verlassen ist und die nicht ahnt, welch ein Reichtum ihr bevorsteht! Verdammt, das heißt alle Trümpfe in der Hand haben, das heißt Lotterie spielen, wenn man die Nummer des großen Loses kennt, das nenne ich einen todsicheren Börsencoup. Das wird eine Ehe, die eine feste Grundlage hat. Wenn das junge Mädchen die Millionen erst hat, dann wirft es sie Ihnen zu Füßen, als wenn es Kieselsteine wären. ›Nimm, mein Geliebter! Nimm, Adolphe! Nimm, Alfred! Nimm, Eugen!‹ wird sie sagen, wenn Adolphe, Alfred oder Eugen klug genug gewesen ist, sich für sie zu opfern. Was ich unter ›opfern‹ verstehe? Einen alten Anzug verkaufen, um mit ihr im ›Cadran bleu‹ Pilzpasteten zu essen und von dort ins ›Ambigu-comique‹ zu gehen; seine Uhr zu versetzen, um ihr einen Schal zu kaufen. Ich will gar nicht von dem Liebesschnickschnack und dem sonstigen dummen Zeug reden, an dem die Frauen so hängen, z. B. ein paar Tropfen Wasser auf das Briefpapier sprengen, um Tränen zu markieren, wenn man fern von ihr ist: Sie sehen mir so aus, als ob Sie sich auf diesen Liebesjargon schon verstehen.
Paris, sehen Sie, gleicht einem Urwald Amerikas, in dem sich zwanzig verschiedene wilde Volksstämme herumtreiben, die Illinois, die Huronen und andere, die von dem Ertrag ihrer Jagd auf die Gesellschaft leben. Sie aber sind ein Millionenjäger. Dazu brauchen Sie Fallen, Leimruten, Lockpfeifen. Es gibt verschiedene Arten zu jagen. Die einen jagen nach der Mitgift, andere nach einem Bankrott. Die einen angeln nach Überzeugungen, die anderen verkaufen die Dummen, die sie gefunden haben, mit Haut und Haar. Wer mit wohlgefüllter Jagdtasche zurückkehrt, wird geehrt, gefeiert und von der guten Gesellschaft empfangen. Wir müssen mit dieser gastlichen Stätte hier gerecht verfahren. Sie sind hier in einer der gefälligsten Städte, die es auf der Welt gibt. Wenn die stolzen Aristokratinnen aller Hauptstädte Europas sich weigern, einen Millionär von üblem Ruf bei sich aufzunehmen, so öffnet Paris ihm die Arme, läuft zu seinen Festen, diniert an seinem Tisch und stößt auf seine Schande an.«
»Aber wo wollen Sie das junge Mädchen finden«, fragte Eugen.
»Sie gehört schon Ihnen. Sie steht vor Ihnen.«
»Etwa Fräulein Victorine?«
»Stimmt!«
»Aber wie ist das möglich?«
»Sie liebt Sie bereits, Ihre kleine Baronin de Rastignac.«