Ja, ja, sagte sich Eugen, Geld um jeden Preis! Die größten Schätze können diese Aufopferung nicht wettmachen. Ich möchte ihnen alles Glück der Erde geben!
»Fünfzehnhundertfünfzig Francs!« sagte er nach einer Pause. »Jedes Geldstück muß seine Arbeit leisten. Laura hat recht. Ich habe nur Hemden aus grobem Stoff. Für das Glück eines anderen wird ein junges Mädchen listig wie ein Dieb. Unschuldig für sich und vorsorgend für mich, ist sie wie ein Engel des Himmels, der die Sünden der Erde verzeiht, ohne sie zu kennen.«
Die Welt gehörte ihm! Schon war sein Schneider herbeizitiert, geprüft und erobert worden. Rastignac hatte, als er Herrn de Trailles erblickte, verstanden, welchen Einfluß die Schneider auf das Leben eines jungen Mannes ausüben. Leider gibt es zwischen folgenden beiden Extremen keine mittlere Linie: Ein Schneider ist entweder ein Todfeind oder ein durch hohe Rechnungen erworbener wahrer Freund. Eugen hatte in seinem Schneider einen Mann gefunden, der seinen Beruf als wahrer Vater auffaßte, der sich selbst als den Bindestrich zwischen der Gegenwart und der Zukunft eines jungen Mannes betrachtete. Der dankbare Rastignac hat denn auch durch eines der Worte, die ihn später berühmt machten, das Glück dieses Mannes begründet:
»Ich kenne von ihm«, sagte er, »zwei Paar Beinkleider, deren jedes eine Heirat von 20 000 Livres Rente zuwege gebracht hat.«
Fünfzehnhundert Francs und Anzüge nach Belieben! In diesem Augenblick gab es für den armen Sohn des Südens kein Zweifeln mehr, und als er zum Frühstück hinunterging, lag in seinen Zügen jener undefinierbare Ausdruck, den jedem jungen Mann der Besitz einer gewissen Summe Geldes verleiht. In dem Augenblick, in dem das Geld in die Tasche eines Studenten gleitet, sieht er vor den Augen seiner Phantasie eine Säule, auf die er sich stützt. Er schreitet ruhig, er fühlt einen festen Standpunkt, sein Blick geht geradeaus, und seine Bewegungen sind sicher geworden. Gestern, noch verschüchtert und furchtsam, hätte er Schläge eingesteckt; heute würde er dem Premierminister Prügel anbieten. In ihm gehen die seltsamsten Erscheinungen, vor sich: Er will alles und kann alles, er begehrt bald das eine, bald das andere, er ist lustig, edelmütig, mitteilsam. Der Vogel, der eben noch ohne Schwingen war, hat die Spannkraft seiner Flügel entdeckt. Der Student ohne Geld schnappt nach einem Stückchen Vergnügen wie ein Hund, der unter tausend Gefahren einen Knochen stiehlt, um in aller Hast das Mark auszusaugen. Aber der junge Mann, der einige verirrte Goldstücke in seiner Westentasche klappern läßt, schlürft seine Vergnügungen, er teilt sie sorgfältig ein. Er ist im siebenten Himmel, er weiß nicht mehr, was das Wort »Elend« bedeutet. Ganz Paris gehört ihm. O Jugend, der alles leuchtet, glitzert und glänzt! Jugend mit deiner fröhlichen Kraft, die niemand nützt, weder Mann noch Frau! Jugend mit deinen Schulden, durch deren Schrecken das Vergnügen zehnmal vergrößert wird! Wer nicht auf dem linken Seine-Ufer zwischen der Rue St-Jacques und der Rue St-Pères gelebt hat, der kennt das Leben nicht.