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Vater Goriot 高老头-36
日期:2018-10-06 19:41  点击:297
Die Vicomtesse war seit drei Jahren mit einem der bekanntesten und reichsten portugiesischen Adligen, dem Marquis d'Ajuda-Pinto, liiert. Es war eine jener unschuldigen Verbindungen, die für die Beteiligten so viele Reize haben, daß sie die Gegenwart eines Dritten nicht ertragen können. So hatte denn der Vicomte de Beauséant selbst der Gesellschaft ein gutes Beispiel gegeben, indem er, freiwillig oder unfreiwillig, diese morganatische Verbindung respektierte. Die Besucher, die in den ersten Tagen dieser Freundschaft die Vicomtesse um zwei Uhr aufsuchten, trafen stets den Marquis d'Ajuda-Pinto an. Madame de Beauséant konnte ihre Tür nicht verschließen, denn das wäre unpassend gewesen, aber sie empfing die Besucher so kühl, und sie starrte so angelegentlich auf den Hof, daß jeder merkte, wie lästig er fiel. Als man in Paris wußte, daß Madame de Beauséant durch einen Besuch zwischen zwei und vier Uhr belästigt würde, wagte sich um diese Zeit niemand zu ihr. Sie ging in die Oper oder ins Bouffontheater in Begleitung des Herrn de Beauséant und des Herrn d'Ajuda-Pinto, aber als Mann von Welt verließ Monsieur de Beauséant stets seine Frau und den Portugiesen, sobald sie ihre Plätze eingenommen hatten. Herr d'Ajuda stand vor seiner Heirat. Er sollte ein Fräulein de Rochefide heimführen. In der ganzen großen Gesellschaft gab es nur eine einzige Persönlichkeit, die von dieser Heirat nichts wußte: Madame de Beauséant. Einige ihrer Freundinnen hatten ihr dunkle Andeutungen gemacht. Sie lachte darüber und glaubte, man wollte damit nur ihr Glück stören. Unterdes wurde das Aufgebot vorbereitet, aber der schöne Portugiese, der der Vicomtesse die bevorstehende Heirat ankündigen wollte, hatte noch immer kein Sterbenswörtchen davon verlauten lassen. Weshalb? Sicher ist nichts schwerer, als einer Frau ein derartiges Ultimatum zu stellen. Mancher Mann steht lieber auf freiem Feld einem Gegner gegenüber, der ihn mit dem blanken Degen bedroht, als etwa einer Frau, die zwei Stunden lang elegisch schluchzt, um dann ohnmächtig zu werden und Riechsalz zu verlangen. So saß in diesem Augenblick Herr d'Ajuda-Pinto wie auf Kohlen und wollte sich verabschieden, denn er sagte sich, daß Madame de Beauséant die Nachricht schon irgendwie erfahren, daß er ihr schreiben würde, daß es bequemer sei, diesen galanten Mord schriftlich als mündlich zu vollziehen. Als der Diener der Vicomtesse Eugen de Rastignac meldete, fiel Herrn d'Ajuda-Pinto ein Stein vom Herzen. Aber eine verliebte Frau ist noch feinfühliger in ihren Zweifeln als in der Entdeckung neuer Freuden. Wenn sie verlassen werden soll, so errät sie die Bedeutung einer Geste schneller als jenes Rennpferd Virgils die Liebe, die in der Ferne verheißungsvoll winkt.
 
So war Madame de Beauséant dieses freudige Auffahren ihres Freundes nicht entgangen, das für sie ein naives, aber ebenso bestürzendes Bekenntnis enthielt. Eugen wußte noch nicht, daß man sich in Paris bei niemandem präsentieren darf, wenn man sich nicht zuvor von den Freunden des Hauses die Geschichte des Gatten, der Frau und der Kinder hat erzählen lassen. Andernfalls läuft man Gefahr, Dummheiten zu begehen, von denen man in Polen so hübsch sagt: Spannen Sie fünf Ochsen vor Ihren Wagen! (Offenbar um sich aus der Patsche, in die man geraten ist, herausziehen zu lassen.) Wenn es für solche gesellschaftliche Entgleisungen in Frankreich noch keine Bezeichnung gibt, so ist dies wohl dadurch zu erklären, daß man sie in Anbetracht der allgemeinen Verbreitung solcher Klatschgeschichten für unmöglich hält. Nachdem Eugen bei Madame de Restaud seinen Karren so in den Dreck gefahren hatte, daß ihm nicht einmal Zeit blieb, seine fünf Ochsen anzuspannen, war er ganz der geeignete Mann, um seinen Beruf als Karrentreiber bei Madame de Beauséant fortzusetzen. Aber wenn er Madame de Restaud und Monsieur de Trailles in Verlegenheit gebracht hatte, zog er hier Herrn d'Ajuda-Pinto aus einer unangenehmen Lage.
 
»Auf Wiedersehen«, sagte der Portugiese, der sich eilig zur Tür zurückzog, als Eugen in den kleinen koketten Salon in Grau und Rosa eintrat, dessen Luxus sich nur als schlichte Eleganz gab.
 
»Aber doch heute abend«, sagte Madame de Beauséant, indem sie sich umwandte und den Marquis scharf ansah. »Gehen wir nicht ins Theater?« 

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