Am folgenden Tage zog sich Rastignac sehr elegant an, um Madame de Restaud nachmittags um 3 Uhr seinen Besuch zu machen. Auf dem Weg gab er sich ganz den übertriebenen, tollen Hoffnungen hin, wie sie das Leben junger Menschen so glücklich machen. Sie rechnen dann nicht mehr mit Hindernissen und Gefahren, sehen in allem nur noch den Erfolg und idealisieren ihre Existenz durch das bloße Spiel ihrer Einbildungskraft. Aber ebenso können sie unglücklich und traurig durch das Mißlingen ihrer Projekte werden, die nur durch ihre zügellosen Wünsche geschaffen wurden. Gäbe es ihre Unwissenheit und Furchtsamkeit jedoch nicht, wäre die gesellschaftliche Welt unmöglich.
Eugen legte seinen Weg unter tausend Vorsichtsmaßregeln zurück, um sich nicht schmutzig zu machen. Er dachte an die Dinge, die er Madame de Restaud sagen wollte, er versorgte sich mit geistreichen Bemerkungen, erfand Erwiderungen einer Konversation, die nur in der Einbildung existierte, bereitete Phrasen à la Talleyrand vor und dachte sich günstige Gelegenheiten aus, die die Erklärung ermöglichen sollten, auf der er seine Zukunft aufbaute. Bei diesen Gedanken übersah er, daß er doch einige Spritzer abbekam, und er mußte schließlich am Palais Royal seine Stiefel und Hosen reinigen lassen. »Wenn ich reich wäre«, dachte er, als er das Fünffrancstück wechselte, das er für den Notfall eingesteckt hatte, »so hätte ich einen Wagen nehmen können, um nach Herzenslust nachzudenken.«
Endlich war er in der Rue du Helder und fragte nach Gräfin de Restaud. Mit der Kaltblütigkeit des Mannes, der gewiß ist, eines Tages zu triumphieren, ließ er den verächtlichen Blick der Diener an sich abgleiten, die gesehen hatten, wie er den Hof zu Fuß durchquerte, ohne das Geräusch eines Wagens vor dem Tore zu vernehmen. Die Gesichter der Diener waren deshalb so peinlich, weil seine Unterlegenheit durch ein luxuriöses Kabriolett unterstrichen wurde, vor dem ein glänzend gezäumtes Pferd wieherte. Eines jener Fahrzeuge, die von einem verschwenderischen Leben zeugen und die Gewöhnung an alle Pariser Glückseligkeiten voraussetzen. So geriet er in schlechte Laune. Plötzlich schlossen sich die geöffneten Schubfächer seines Gehirns, in denen er eben noch soviel Geist angetroffen hatte. Während ein Kammerdiener der Gräfin den Besuch ankündigte, trat Eugen an das Fenster des Vorzimmers und sah mechanisch auf den Hof hinaus. Er fand die Zeit sehr lang, und er wäre schon wieder fortgegangen, wenn er nicht jene südliche Zähigkeit in sich gehabt hätte, die Wunder tun kann, wenn sie den geraden Weg verfolgt.
Endlich kam der Kammerdiener zurück: »Madame ist in ihrem Boudoir, sie ist sehr beschäftigt, und ich habe keine Antwort erhalten. Aber wenn Sie, bitte, in den Salon gehen wollen, es ist bereits ein Besucher da.«