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Vater Goriot 高老头-13
日期:2018-09-29 14:31  点击:225
Diese Gedanken beschäftigten ihn oft, wenn er lange Spaziergänge mit seinen Schwestern machte. Die Mädchen fanden ihn sehr verändert. Seine Tante, Madame de Marcillac, die früher am Hofe verkehrte, hatte noch einige Bekanntschaften unter dem hohen Adel. Mit einem Schlage erkannte der ehrgeizige junge Mann in diesen Erinnerungen seiner Tante die Grundlagen für zukünftige Eroberungen in der Gesellschaft, die mindestens ebenso bedeutend werden konnten wie die, die er sich für die Universität vornahm. Er unterzog jetzt die alte Dame einem Kreuzverhör über alle verwandtschaftlichen Verbindungen, die sich wieder anknüpfen ließen. Nachdem man alle Zweige des Stammbaumes geschüttelt hatte, kam die Tante zu der Ansicht, daß unter der ganzen egoistischen Clique der reichen Verwandtschaft allein die Vicomtesse de Beauséant in Frage käme, um ihrem Neffen zu helfen. Sie schrieb einen Brief an diese junge Frau im Stil des ancien régime, gab ihn Eugen und versicherte ihm, daß er, wenn er bei der Vicomtesse Glück habe, mit ihrer Hilfe auch seine anderen Verwandten auffinden könne. Einige Tage nach seiner Ankunft in Paris sandte Rastignac den Brief seiner Tante an Madame de Beauséant. Die Vicomtesse antwortete mit einer Einladung zum Ball am nächsten Tage.
 
Dies waren die Verhältnisse in der Familienpension Ende November 1819. Einige Tage später kehrte Eugen vom Ball der Madame de Beauséant nach Hause zurück; es war gegen 2 Uhr nachts. Beim Tanz hatte sich der junge Mann vorgenommen, bis zum Morgen durchzuarbeiten, um die verlorene Zeit wieder einzuholen: Es war das erstemal, daß er eine ganze Nacht in diesem stillen Viertel wachend zubringen wollte. Er stand ganz im Banne einer trügerischen Energie, die beim Anblick der glänzenden Gesellschaft über ihn gekommen war. Er hatte an dem Abendessen bei Madame Vauquer nicht teilgenommen, die Pensionäre konnten daher annehmen, daß er erst am nächsten Morgen bei Tagesgrauen zurückkehren würde, wie er gelegentlich von einem Fest im Prado und einem Ball im Odéon zurückgekehrt war, mit schmutzbespritzten Seidenstrümpfen und schiefgetretenen Lackschuhen. Der Hausdiener Christoph, der die Tür abriegeln wollte, hatte sie noch einmal geöffnet, um auf die Straße zu sehen. Rastignac benutzte diesen Augenblick und konnte auf sein Zimmer eilen, ohne Geräusch zu verursachen, gefolgt von Christoph, der dafür um so mehr machte.
 
Eugen zog sich um, holte seine Pantoffeln hervor und hüllte sich in einen abgetragenen Überrock. Dann zündete er sein Torffeuer an und setzte sich hurtig an die Arbeit, während Christoph durch sein Getrampel es unmöglich machte, daß man im Hause etwas von diesen Vorbereitungen hören konnte. Bevor Eugen sich auf seine juristischen Bücher stürzte, gab er sich einige Minuten dem Nachdenken hin. Er hatte in der Vicomtesse de Beauséant eine der Modeköniginnen der Pariser Gesellschaft kennengelernt, deren Haus als eines der angenehmsten des Faubourg St-Germain galt. Sowohl ihr Name wie ihr Vermögen machten sie zu einer der Spitzen der Aristokratie. Dank seiner Tante de Marcillac war er, der arme Student, in diesem Hause gut aufgenommen worden, ohne daß er sich der ganzen Bedeutung dieser Gunst bewußt geworden wäre. In diesen goldüberladenen Salons zugelassen zu sein, bedeutete soviel wie ein hoher Adelsbrief. Dadurch, daß er sich in dieser exklusiven Gesellschaft zeigen konnte, hatte er das Recht erlangt, sich überall zu bewegen. Die glänzende Gesellschaft blendete ihn zunächst. Aber bald, nachdem er kaum einige Worte mit der Vicomtesse gewechselt, hatte Eugen in der Menge der Pariser Gottheiten, die sich in diesem Rout drängten, eine Frau entdeckt, wie sie ein junger Mensch auf den ersten Blick anbeten muß. Die Gräfin Anastasie de Restaud galt mit ihrem schlanken Wuchs als eine der hübschesten Erscheinungen von ganz Paris. Sie hatte große schwarze Augen, wundervolle Hände, einen zierlichen Fuß, ihre Bewegungen waren feurig, kurz, sie war eine Frau, die der Marquis de Ronquerolles ein »Vollblut« nannte. Ihre nervöse Rassigkeit war aber nicht unweiblich, sie hatte volle runde Formen, ohne doch allzu stark zu sein. »Vollblutpferd«, »Rasseweib«: Diese Ausdrücke begannen damals die Engelsfiguren der Frauen à la Ossian zu verdrängen, diese ganze alte Liebesmythologie, mit der das Dandytum nichts mehr zu tun haben wollte. Für Rastignac war jedoch Anastasie de Restaud nichts als die begehrenswerte Frau. Zwei Tänze hatte er sich in der Liste der Kavaliere, die sie auf ihren Fächer schrieb, gesichert, und es gelang ihm, beim ersten Contre einige Worte mit ihr zu wechseln. 

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