Diese Gedanken beschäftigten ihn oft, wenn er lange Spaziergänge mit seinen Schwestern machte. Die Mädchen fanden ihn sehr verändert. Seine Tante, Madame de Marcillac, die früher am Hofe verkehrte, hatte noch einige Bekanntschaften unter dem hohen Adel. Mit einem Schlage erkannte der ehrgeizige junge Mann in diesen Erinnerungen seiner Tante die Grundlagen für zukünftige Eroberungen in der Gesellschaft, die mindestens ebenso bedeutend werden konnten wie die, die er sich für die Universität vornahm. Er unterzog jetzt die alte Dame einem Kreuzverhör über alle verwandtschaftlichen Verbindungen, die sich wieder anknüpfen ließen. Nachdem man alle Zweige des Stammbaumes geschüttelt hatte, kam die Tante zu der Ansicht, daß unter der ganzen egoistischen Clique der reichen Verwandtschaft allein die Vicomtesse de Beauséant in Frage käme, um ihrem Neffen zu helfen. Sie schrieb einen Brief an diese junge Frau im Stil des ancien régime, gab ihn Eugen und versicherte ihm, daß er, wenn er bei der Vicomtesse Glück habe, mit ihrer Hilfe auch seine anderen Verwandten auffinden könne. Einige Tage nach seiner Ankunft in Paris sandte Rastignac den Brief seiner Tante an Madame de Beauséant. Die Vicomtesse antwortete mit einer Einladung zum Ball am nächsten Tage.
Dies waren die Verhältnisse in der Familienpension Ende November 1819. Einige Tage später kehrte Eugen vom Ball der Madame de Beauséant nach Hause zurück; es war gegen 2 Uhr nachts. Beim Tanz hatte sich der junge Mann vorgenommen, bis zum Morgen durchzuarbeiten, um die verlorene Zeit wieder einzuholen: Es war das erstemal, daß er eine ganze Nacht in diesem stillen Viertel wachend zubringen wollte. Er stand ganz im Banne einer trügerischen Energie, die beim Anblick der glänzenden Gesellschaft über ihn gekommen war. Er hatte an dem Abendessen bei Madame Vauquer nicht teilgenommen, die Pensionäre konnten daher annehmen, daß er erst am nächsten Morgen bei Tagesgrauen zurückkehren würde, wie er gelegentlich von einem Fest im Prado und einem Ball im Odéon zurückgekehrt war, mit schmutzbespritzten Seidenstrümpfen und schiefgetretenen Lackschuhen. Der Hausdiener Christoph, der die Tür abriegeln wollte, hatte sie noch einmal geöffnet, um auf die Straße zu sehen. Rastignac benutzte diesen Augenblick und konnte auf sein Zimmer eilen, ohne Geräusch zu verursachen, gefolgt von Christoph, der dafür um so mehr machte.