›Wo bleibt nur mein Cousin?‹ fragte sie sich.
Am Tage, da Monsieur Cruchot seiner Klientin eine klare und sachliche Aufstellung der Erbschaft überreichte, blieb Eugénie allein mit Nanon im großen Saal zur Seite des Kamins – in diesem Saal; wo alles Erinnerungen weckte, angefangen vom erhöhten Fenstersitz ihrer Mutter bis herab zum Weinglas, aus dem ihr Cousin getrunken hatte.
»Nanon, wir sind allein!«
»Ja, Mademoiselle; und wenn ich wüßte, wo er ist, der hübsche liebe Monsieur, ich würde hingehen und ihn wieder holen.«
»Das Meer liegt zwischen uns«, erwiderte Eugénie.
Während die arme Erbin also in Gemeinschaft mit ihrer alten Magd klagend in diesem kalten, düstern Haus saß, das ihr die Welt bedeutete, war von Nantes bis Orleans von nichts anderem die Rede als von den siebzehn Millionen der Mademoiselle Grandet.
Eine ihrer ersten selbständigen Handlungen war, der alten Nanon eine lebenslängliche Rente von zwölfhundert Francs auszusetzen; da sie bereits sechshundert Francs besaß, so wurde sie nun eine reiche Partie. In weniger als einem Monat trat sie unter dem Schutze des Antoine Cornoiller, der zum Oberaufseher der Ländereien von Mademoiselle Grandet ernannt wurde, in den Stand der Ehe. Madame Cornoiller hatte vor ihren Altersgenossinnen ungeheure Vorzüge. Obgleich sie neunundfünfzig Jahre zählte, sah sie nicht älter aus als vierzig. Ihre derben Züge hatten den Stürmen der Zeit widerstanden. Dank ihres klösterlichen Lebens konnte ihre eiserne Gesundheit, ihre blühende Farbe dem Greisentum spotten. Vielleicht hatte sie nie so gut ausgesehen als an ihrem Hochzeitstage. Sie genoß die Segnungen ihrer Häßlichkeit und erschien groß, dick und stark; auf ihrem unverwüstlichen Gesicht lag ein Ausdruck des Glücks, der manchen Mann das Schicksal Cornoillers beneiden ließ.
»Sie hat eine frische Farbe«, sagte der Tuchhändler. »Sie ist fähig und kriegt noch Kinder«, sagte der Gewürzkrämer; »sie hat sich konserviert, als hätte sie – mit Respekt zu vermelden – in Lauge gelegen.« – »Sie ist reich, und der Bursche Cornoiller macht einen guten Fang«, sagte ein anderer Nachbar.