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欧也妮葛朗台-Eugénie Grandet 126
日期:2018-09-14 14:00  点击:256
›Wo bleibt nur mein Cousin?‹ fragte sie sich.
 
Am Tage, da Monsieur Cruchot seiner Klientin eine klare und sachliche Aufstellung der Erbschaft überreichte, blieb Eugénie allein mit Nanon im großen Saal zur Seite des Kamins – in diesem Saal; wo alles Erinnerungen weckte, angefangen vom erhöhten Fenstersitz ihrer Mutter bis herab zum Weinglas, aus dem ihr Cousin getrunken hatte.
 
»Nanon, wir sind allein!«
 
»Ja, Mademoiselle; und wenn ich wüßte, wo er ist, der hübsche liebe Monsieur, ich würde hingehen und ihn wieder holen.«
 
»Das Meer liegt zwischen uns«, erwiderte Eugénie.
 
Während die arme Erbin also in Gemeinschaft mit ihrer alten Magd klagend in diesem kalten, düstern Haus saß, das ihr die Welt bedeutete, war von Nantes bis Orleans von nichts anderem die Rede als von den siebzehn Millionen der Mademoiselle Grandet.
 
Eine ihrer ersten selbständigen Handlungen war, der alten Nanon eine lebenslängliche Rente von zwölfhundert Francs auszusetzen; da sie bereits sechshundert Francs besaß, so wurde sie nun eine reiche Partie. In weniger als einem Monat trat sie unter dem Schutze des Antoine Cornoiller, der zum Oberaufseher der Ländereien von Mademoiselle Grandet ernannt wurde, in den Stand der Ehe. Madame Cornoiller hatte vor ihren Altersgenossinnen ungeheure Vorzüge. Obgleich sie neunundfünfzig Jahre zählte, sah sie nicht älter aus als vierzig. Ihre derben Züge hatten den Stürmen der Zeit widerstanden. Dank ihres klösterlichen Lebens konnte ihre eiserne Gesundheit, ihre blühende Farbe dem Greisentum spotten. Vielleicht hatte sie nie so gut ausgesehen als an ihrem Hochzeitstage. Sie genoß die Segnungen ihrer Häßlichkeit und erschien groß, dick und stark; auf ihrem unverwüstlichen Gesicht lag ein Ausdruck des Glücks, der manchen Mann das Schicksal Cornoillers beneiden ließ.
 
»Sie hat eine frische Farbe«, sagte der Tuchhändler. »Sie ist fähig und kriegt noch Kinder«, sagte der Gewürzkrämer; »sie hat sich konserviert, als hätte sie – mit Respekt zu vermelden – in Lauge gelegen.« – »Sie ist reich, und der Bursche Cornoiller macht einen guten Fang«, sagte ein anderer Nachbar.
 
Als Nanon aus dem alten Hause trat, sah sie, die von der ganzen Nachbarschaft geliebt wurde, nur freundliche Gesichter und erhielt Glückwunsch um Glückwunsch, als sie die gewundene Straße zur Pfarrkirche hinunterschritt. Als Hochzeitsgeschenk gab Eugénie ihr drei Dutzend Gedecke. Cornoiller, den solche Pracht überwältigte, sprach von seiner Herrin mit Tränen in den Augen: er würde sich für sie in Stücke hacken lassen. Madame Cornoiller, die ganz Eugénies Vertraute geworden war, genoß auch in dieser Hinsicht eine Glückseligkeit, die der andern, einen Gatten zu haben, nicht nachstand. Endlich durfte sie selbst die Speisekammer öffnen und schließen und des Morgens die Tagesvorräte austeilen, wie es ihr seliger Herr getan hatte. Ferner herrschte sie über zwei Dienstboten, denn man hatte eine Köchin ins Haus genommen und eine Kammerfrau, die die Hauswäsche auszubessern und die Kleider von Mademoiselle Grandet anzufertigen hatte. Cornoiller vereinigte in sich das Amt eines Wächters und Verwalters. Es erübrigt sich zu sagen, daß die von Nanon aufgenommenen beiden Dienstboten wahre ›Perlen‹ waren. Mademoiselle Grandet hatte also vier Dienstboten, deren Ergebenheit grenzenlos war. Die Pächter spürten nicht den Tod Grandets, so streng hatte dieser seine Geschäftsgrundsätze, sein Arbeitssystem festzulegen gewußt, und Monsieur und Madame Cornoiller führten alles in seinem Sinne weiter. 

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