Dann kamen die Tage der Agonie, da die eiserne Gesundheit des Geizhalses der Zerstörung zur Beute fiel. Bald wollte er, zur Seite des Kamins beim Feuer sitzen bleiben, bald wieder vor der Tür seines Kabinetts sitzen. Er zerrte alle Decken an sich, die man über ihn legte, rollte sie zusammen und sagte zu Nanon: ›Hier, schließ weg, schließe alles weg, damit man mich nicht bestiehlt.‹
Wenn es ihm möglich war, die Augen zu öffnen, in die seine ganze Lebenskraft sich konzentriert zu haben schien, so heftete er sie sofort auf die Tür des Kabinetts, darin seine Schätze ruhten und sagte zu seiner Tochter: ›Sind sie da? Sind sie da?‹ mit einer Stimme, in der eine namenlose Angst zitterte.
›Ja, mein Vater.‹
›Hüte das Gold! . . . Bring mir etwas Gold her!‹
Eugénie breitete auf einem Tisch einen Haufen Goldstücke aus, und da saß er nun stundenlang, den Blick auf das Gold geheftet, wie ein Kind, wenn es zu sehen beginnt, mit blödem Ausdruck irgendeinen Gegenstand anstarrt; und ein gedankenloses Lächeln, wie bei einem Kinde, spielte um seine Lippen. ›Das stärkt mich!‹ sagte er dann mit glückseligem Ausdruck.
Als der Pfarrer kam, um ihm die letzte Ölung zu erteilen, belebten sich seine schon stundenlang fast blinden Augen beim Anblick des Kreuzes, der Kerzen, des silbernen Weinkessels, den er starr anstierte, und sein Nasengewächs wackelte zum letztenmal. Als der Priester das vergoldete Kruzifix an seine Lippen brachte, damit er das Bild Christi küsse, machte er eine wütende Anstrengung, um es an sich zu reißen, und das kostete ihm das Leben. Er rief Eugénie, die er nicht gewahrte, obgleich sie vor ihm kniete und seine schon erkaltete Hand mit ihren Tränen badete.
»Mein Vater, segnen Sie mich«, bat sie.
»Hab acht auf alles! Dort drüben wirst du mir Rechenschaft ablegen müssen«, sagte er und bewies mit diesem letzten Ausspruch, daß das Christentum auch die Religion der Geizhalse ist. –
Eugénie Grandet sah sich also allein auf der Welt und in diesem Hause; sie hatte nun außer Nanon niemanden mehr, dem sie einen Blick zuwerfen konnte mit dem Bewußtsein, verstanden und begriffen zu werden – Nanon, das einzige Wesen, das sie um ihrer selbst willen liebte und mit der sie über ihre Kümmernisse reden konnte. Die Große Nanon war für Eugénie so etwas wie die Vorsehung; sie war eigentlich nicht mehr Magd, sondern Freundin.