»Mein Gott, wie können Sie Frau und Kind so behandeln!« sagte Madame Grandet mit schwacher Stimme.
»Ich werde es nie wieder tun, nie!« schrie der Böttcher, »du sollst sehen, mein armes Weib.«
Er ging in sein Kabinett und kam mit einer Handvoll Louisdore zurück, die er aufs Bett ausstreute. »Da, Eugénie, da, liebe Frau, das ist für euch«, sagte er und ließ das Gold tanzen. »Komm, Frau, ermuntere dich; laß dir's gut gehen, es soll dir an nichts fehlen; Eugénie ebensowenig. Da sind hundert Louis in Gold für sie. Du wirst sie nicht verschenken, die da, Eugénie, wie?«
Madame Grandet und ihre Tochter sahen einander erstaunt an. »Nehmen Sie sie nur wieder, Vater; was wir bedürfen, ist Ihre Liebe.«
»Schön, schön, auch recht«, sagte er, die Louis wieder einsteckend. »Leben wir als gute Freunde. Kommt, wir wollen alle zum Essen hinuntergehen in den Saal, wollen alle Abende Lotto spielen, zu zwei Sous die Partie. Laßt's euch wohl sein! Scherz und Spiel – wie, liebe Frau?«
»Ach!« sagte die Sterbende, »gern, wenn es Ihnen Freude macht, aber ich kann nicht aufstehen.«
»Arme Mutter!« sagte der Böttcher, »du weißt nicht, wie sehr ich dich liebe. – Und dich, mein Kind!« Er schloß sie in die Arme und küßte sie. »Oh, wie gut das tut, nach einem Zwist sein Kind in die Arme zu schließen! Mein Töchterchen! – Da sieh her. Mütterchen, jetzt sind wir ganz eins. – Geh und schließe das weg«, sagte er zu Eugénie, indem er auf das Köfferchen zeigte. »Geh, fürchte nichts. Ich werde dir nicht mehr davon sprechen, nie mehr.«
Monsieur Bergerin, der bedeutendste Arzt in Saumur, traf bald ein. Er untersuchte die Kranke und erklärte dann Grandet mit Bestimmtheit, daß seine Frau recht krank sei, daß es aber möglich sei, bei vollständiger Gemütsruhe, zärtlicher Behandlung und peinlichster Pflege den Zeitpunkt ihres Todes bis zum Spätherbst hinauszuschieben.
»Wird das viel kosten?« fragte der Biedermann. »Braucht man Arzneien?«
»Wenig Arzneien, aber viel Pflege«, erwiderte der Arzt, der sich nicht enthalten konnte zu lächeln.
»Nun also, Monsieur Bergerin«, entgegnete Grandet, »Sie sind ein Ehrenmann, nicht wahr? Ich verlasse mich auf Sie; kommen Sie nach meiner Frau sehen, sooft Sie es für nötig halten. Erhalten Sie mir mein gutes Weib. Ich habe sie sehr lieb, sehen Sie, wenn es auch nicht so aussieht – denn bei mir, sehen Sie, bleibt alles inwendig und frißt mir am Herzen. Ich habe Kummer. Der Kummer kam zu mir mit dem Tod meines Bruders, für den ich in Paris große Summen hingebe . . . die Augen aus dem Kopf sozusagen! Und das nimmt kein Ende. Adieu, Monsieur. Wenn meine Frau zu retten ist, retten Sie sie, und wenn man auch hundert oder zweihundert Francs dranwenden müßte.«