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欧也妮葛朗台-Eugénie Grandet 114
日期:2018-09-05 17:26  点击:269
Eines Abends endlich, an einem späten Frühlingstag, bekannte Madame Grandet ihre geheimen Schmerzen den Cruchots. Der Kummer hatte – mehr noch als die Krankheit – ihre Kräfte aufgezehrt, denn es war ihr noch immer nicht gelungen, Eugénie mit ihrem Vater zu versöhnen.
 
»Ein Mädchen von dreiundzwanzig Jahren auf Wasser und Brot setzen!« rief der Präsident de Bonfons aus, »und ohne Ursache! – das ist ja eine gesetzwidrige Überschreitung des väterlichen Züchtigungsrechts: Mißhandlung ist das! Dagegen kann sie Protest einlegen, und um so mehr, als . . .«
 
»Komm, lieber Neffe«, sagte der Notar, »laß dein Gerichtskauderwelsch. Beruhigen Sie sich, Madame, von morgen ab soll diese Gefangenschaft ein Ende haben.«
 
Als Eugénie hörte, daß man von ihr sprach, kam sie aus ihrem Zimmer herbei. »Messieurs«, sagte sie und trat mit stolzer Bewegung näher, »ich bitte Sie, sich nicht mit dieser Sache zu befassen. Mein Vater ist Herr in seinem Hause. Solange ich dieses Haus bewohne, muß ich ihm gehorchen. Seine Handlungsweise unterliegt weder der Billigung noch der Mißbilligung der Welt, er ist niemandem Rechenschaft schuldig als Gott. Ich erwarte von Ihrer Freundschaft das tiefste Stillschweigen in dieser Sache. Meinen Vater tadeln hieße unsere eigene Würde angreifen. Ich weiß Ihnen Dank, Messieurs, für die Teilnahme, die Sie mir bezeigen; aber Sie würden mich weit mehr verpflichten, wenn Sie das beleidigende Gerede zum Schweigen bringen würden, das in der Stadt in Umlauf ist und von dem ich zufälligerweise Kenntnis erhielt.«
 
»Sie hat recht«, sagte Madame Grandet.
 
»Die beste Manier, Mademoiselle, die Welt zum Schweigen zu bringen, wäre die, Ihnen die Freiheit wiederzugeben«, erwiderte der alte Notar ehrerbietig, verblüfft von der Schönheit, mit der die Einsamkeit, die Schwermut und die Liebe Eugénie geschmückt hatten.
 
»Nun, mein Kind, dann überlaß nur Monsieur Cruchot die Sorge, diese Angelegenheit zu ordnen, da er sich für den Erfolg verbürgt. Er kennt deinen Vater und weiß, wie man ihn nehmen muß. Wenn du mich in der kurzen Zeit, die mir noch zu leben bleibt, glücklich sehen willst, ist es unbedingt notwendig, daß ihr versöhnt seid, du und dein Vater.«
 
Am andern Morgen machte Grandet einer Gewohnheit zufolge, die er seit der Gefangensetzung Eugénies angenommen hatte, einige Runden durch seinen kleinen Garten. Er hatte für diesen Spaziergang den Augenblick gewählt, da Eugénie sich die Haare kämmte.
 
Als der Biedermann beim großen Nußbaum angelangt war, verbarg er sich hinter dem Stamm und betrachtete während einiger Minuten das lange Haar seiner Tochter; ohne Zweifel hatte er einen harten Kampf zu bestehen zwischen seinem zähen Trotz und dem heftigen Wunsch, die Tochter in die Arme zu schließen. 

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