Die Cruchots, Madame des Grassins und ihr Sohn kamen um acht Uhr und verwunderten sich, weder Madame Grandet noch ihre Tochter zu sehen.
»Meiner Frau ist nicht ganz wohl; Eugénie ist bei ihr«, erwiderte der alte Weinbauer, ohne eine Miene zu verziehen.
Nach einer Stunde gleichgültiger Unterhaltung kam Madame des Grassins, die zu Madame Grandet hinaufgestiegen war, wieder herunter, und jeder fragte sie: »Wie geht es Madame Grandet?«
»Aber gar nicht gut – gar nicht«, sagte sie. »Ihr Gesundheitszustand erscheint mir geradezu beunruhigend. In ihrem Alter muß man ungemein vorsichtig sein, Papa Grandet.«
»So, wir wollen sehen«, erwiderte der Weinbauer zerstreut.
Man verabschiedete sich. Als die Cruchots auf der Straße waren, sagte Madame des Grassins zu ihnen: »Da ist irgend etwas los bei den Grandets. Die Mutter ist sehr krank, mehr vielleicht, als sie selbst denkt. Die Tochter hat rotgeweinte Augen. Hat man sie vielleicht gegen ihren Willen verheiraten wollen?«
Als der Weinbauer zu Bett gegangen war, kam Nanon auf Strümpfen zu Eugénie geschlichen und brachte ihr eine prächtige Pastete. »Hier, Mademoiselle«, sagte das gute Weib; »Cornoiller hat mir einen Hasen gebracht. Sie essen ja so wenig, daß diese Pastete für acht Tage ausreichen wird, und bei dem Frost wird sie auch nicht verderben. Wenigstens sind Sie doch nicht auf trocken Brot angewiesen; denn das ist gar nicht gesund.«
»Gute Nanon!« sagte Eugénie und drückte ihr die Hand.
»Ich habe sie sehr gut zubereitet, und er hat nichts gemerkt. Fett und Lorbeer – alles habe ich von meinem Sechsfrancsstück gekauft; ich war eigenmächtig wie eine Hausfrau.« Dann flüsterte die Magd, denn sie glaubte, Grandet kommen zu hören.
Während mehrerer Monate erschien nun Grandet zu den verschiedensten Tageszeiten bei seiner Frau; nie nannte er den Namen seiner Tochter, nie sah er sie, nie fragte er nach ihr. Madame Grandet verließ ihr Zimmer nicht mehr, und von Tag zu Tag verschlimmerte sich ihr Zustand. Nichts stimmte den alten Böttchermeister nachgiebig. Er blieb kalt, hart und unerschütterlich wie ein Granitfelsen. Er kam und ging und machte Geschäfte wie immer. Aber er stotterte nicht mehr, plauderte weniger und zeigte sich beim Handel härter, als er je gewesen war. Oft passierte ihm jetzt bei seinen Berechnungen ein Irrtum.