»Sage mir wenigstens, wann hast du das Gold weggegeben?«
Eugénie schüttelte den Kopf.
»Du hattest es noch an deinem Geburtstag, wie?«
Eugénie, die durch ihre Liebe ebenso schlau geworden war, wie ihr Vater es durch seinen Geiz war, schüttelte nur wieder den Kopf.
»Aber das ist unerhört! Hat man je solchen Starrsinn gesehen und solchen Raub?« sagte Grandet mit einer Stimme, die immer stärker anschwoll und durch das ganze Haus dröhnte. »Wie! Hier in meinem eigenen Hause, hier bei mir, hat irgendeiner dein Gold genommen? Das einzige Gold, das hier zu finden war! Und ich soll nicht erfahren, wer? Gold ist eine teure Sache. Die ehrbarsten Mädchen können einen Fehltritt begehen, ich weiß nicht was hingeben, das kommt bei den vornehmsten Leuten vor und sogar in Bürgerkreisen; aber Gold weggeben – denn du hast es doch irgendwem gegeben, he?«
Eugénie blieb unbeweglich.
»Hat man je solch ein Kind gesehen? Bin ich dein Vater oder nicht? Wenn du es irgendwie angelegt hast, so mußt du eine Quittung haben . . .«
»Stand es mir nicht frei, damit zu machen, was mir gut schien? Ja oder nein? Gehörte es mir?«
»Aber du bist ein Kind.«
»Mündig!«
Verwirrt durch die Logik seiner Tochter, erbleichte Grandet, stampfte mit den Füßen, fluchte. Als er endlich wieder Worte fand, schrie er: »Elende Schlange von Tochter! Du Unkraut, du! Du weißt wohl, daß ich dich liebe, und mißbrauchst das. Sie richtet ihren Vater zugrunde! Bei Gott! Du wirst wohl diesem Habenichts mit den Saffianstiefeln unser Geld hingeworfen haben. Beim Winzermesser meines Vaters! Ich kann dich nicht enterben. Donner und Doria! Aber ich verfluche dich – dich, deinen Cousin und deine Kinder! Hörst du? Niemals wird dir daraus etwas Gutes erwachsen, nie! Wenn es dieser Charles gewesen sein sollte – aber nein, das ist unmöglich. Wie! Dieses elende Zierpüppchen sollte mich ausgeplündert haben? . . .«
Er blickte die Tochter an, die stumm und kalt blieb.
»Sie rührt sich nicht, sie zuckt nicht mit der Wimper, sie ist mehr Grandet, als ich je Grandet gewesen bin. Du hast hoffentlich dein Gold nicht für gar nichts hingegeben. Laß sehen, sag?«
Eugénie warf ihrem Vater einen ironischen Blick zu, der ihn sehr verletzte.
»Eugénie, du bist bei mir, bei deinem Vater. Solange du hier bist, mußt du dich meinen Anordnungen fügen, Die Religion gebietet dir, mir zu gehorchen.«