»Kommen Sie mit uns zu Madame Dorsonval?« fragte des Grassins den Notar. »Wir gehen später hin«, sagte der Präsident; »ich habe Mademoiselle de Gribeaucourt versprochen, ihr einen guten Abend zu wünschen, und wenn es meinem onkel recht ist, so würden wir zunächst dorthin gehen.«
»Also auf Wiedersehen, Messieurs«, rief Madame des Grassins.
Und als die des Grassins sich einige Schritte entfernt hatten, sagte Adolphe zu seinem Vater: »Die kochen aber vor Wut, wie?«
»Still, still, mein Sohn«, antwortete ihm die Mutter, »sie können uns noch hören. Was du sagst, ist übrigens nicht geschmackvoll und riecht nach der Schulbank.«
»Hast du es bemerkt, Onkel«, rief der Richter, als die des Grassins außer Hörweite waren, »zu Anfang war ich der Präsident de Bonfons und zum Schluß nichts weiter als Cruchot.«
»Ich habe gesehen, daß das dich ärgerte; aber der Wind stand eben nach den des Grassins. Aber wie dumm bist du mit all deinem Verstand! . . . Laß sie nur mit einem ›Wir werden sehen‹ von Vater Grandet nach Paris segeln und verhalte dich still, mein Kleiner. Eugénie wird trotz alledem deine Frau.«
In wenigen Minuten wußten schon drei Häuser von der Hochherzigkeit Grandets, und bald war in der ganzen Stadt von nichts anderem die Rede als von dieser brüderlichen Zuneigung. Ein jeder verzieh Grandet den Handel, mit dem er die Regeln des kameradschaftlichen Anstandes so sehr verletzt hatte. Ein jeder bewunderte nun seine Ehrenhaftigkeit und pries seine so unerwartete Großmut. Es liegt im Charakter des Franzosen, sich zu begeistern, dem Meteor des Augenblicks leidenschaftlich zuzujubeln. Ist denn das Volk, sind denn die Massen ohne Gedächtnis?
Als Vater Grandet sein Haustor verschlossen hatte, rief er Nanon.
»Laß den Hund heute an der Kette und lege dich nicht schlafen; wir haben zusammen zu arbeiten. Um elf Uhr wird Cornoiller aus Froidfond mit dem Wagen hier sein. Warte, bis du ihn kommen hörst, und öffne ihm sofort, so daß er nicht anzuklopfen braucht, und heiße ihn sachte eintreten. Die Polizeivorschrift verbietet den nächtlichen Lärm. Übrigens braucht nicht das ganze Stadtviertel zu erfahren, daß ich fortreisen will.«
Nach dieser Rede stieg Grandet in sein Arbeitszimmer hinauf, wo Nanon ihn hin und her gehen, suchen und packen hörte – doch tat er das alles vorsichtig und leise. Er wollte offenbar weder Frau noch Tochter wecken und vor allem nicht die Aufmerksamkeit seines Neffen erregen, den er bereits verwünschte, weil er Licht in seinem Zimmer sah.