»Oh, was haben Sie nur?« fragte sie. »Tränen der Dankbarkeit«, erwiderte er.
Eugénie wandte sich hastig zum Kamin und ergriff den Leuchter. »Nanon, hier, nimm das weg«, sagte sie.
Als sie sich dem Cousin wieder zuwandte, war sie wohl noch sehr rot, aber ihre Blicke konnten wenigstens lügen und verrieten nicht die unaussprechliche Freude, die ihr Herz durchflutete. Doch beider Augen sprachen dasselbe Empfinden aus, gleichwie beider Seelen in dem nämlichen Gedanken hinschmolzen: die Zukunft gehörte ihnen. Diese süße Regung war um so köstlicher für Charles, als sie ihm inmitten seines unendlichen Kummers ganz unerwartet kam.
Ein Schlag an das Haustor rief die beiden Frauen auf ihre Plätze zurück. Glücklicherweise konnten sie schnell genug hinuntereilen und schon über der Arbeit sitzen, als Grandet eintrat. Wäre er ihnen in der Vorhalle begegnet – es hätte nicht mehr bedurft, um seinen Argwohn zu erregen.
Nach dem Frühstück, das der Biedermann im Stehen einnahm, erschien der Feldwächter von Froidfond, dem die versprochene Entschädigung für seinen Freundschaftsdienst noch immer nicht verabfolgt worden war; er brachte einen Hasen, ein paar im Park geschossene Rebhühner, ein paar Aale und zwei Hechte, welche die Mühlpächter zu liefern hatten.
»He, he! Der arme alte Cornoiller, er kommt ja sehr gelegen. – Ist das schon eßbar, wie?«
»Jawohl, Monsieur, vor zwei Tagen geschossen.«
»Vorwärts, Nanon, nimm die Füße in die Hand!« rief der Biedermann. »Hier, nimm die Sachen und mach uns ein Mittagessen; ich habe zwei Cruchots eingeladen.«
Nanon riß die Augen auf und blickte von einem zum andern. »Wohl, wohl«, sagte sie; »aber wo nehme ich Speck her und Gewürz?«
»Liebe Frau«, sagte Grandet, »gib Nanon sechs Francs und erinnere mich daran, daß ich in den Keller gehe und meinen guten Wein heraufhole.«
»Und dann, Monsieur Grandet«, begann der Feldwächter, der eine Rede vorbereitet hatte, um die Frage seiner Entschädigungssumme zu einem Abschluß zu bringen, »und dann, Monsieur Grandet . . .«
»Ta ta ta ta!« fiel ihm Grandet ins Wort, »ich weiß schon, was du sagen willst. Du bist ein Satanskerl! Wir werden das morgen erledigen, heute habe ich alle Hände voll zu tun. – Liebe Frau, gib ihm hundert Sous« wandte er sich an Madame Grandet.
Damit räumte er das Feld. Die arme Frau war überglücklich, für elf Francs den Frieden erkaufen zu können. Sie wußte, daß Grandet vierzehn Tage friedlich war, nachdem er ihr so, Stück für Stück, das Geld wieder abgenommen hatte, das er ihr geschenkt hatte.
»Hier! Cornoiller«, sagte sie und drückte ihm zehn Francs in die Hand. »Eines Tages werden wir deine Dienste belohnen.«