»Nein, mein Lieber«, antwortete Madame Grandet.
»Nun, was tut er denn?«
»Er beweint seinen Vater«, erwiderte Eugénie.
Grandet blickte stumm auf seine Tochter. Er, Grandet, war kein herzlicher Vater. – Nachdem er zwei-, dreimal die Runde durch den Saal gemacht hatte, stieg er eilig in sein Arbeitszimmer hinauf, um dort über die Anlegung seiner Gelder in Staatspapieren nachzudenken. Seine Waldungen, die er hatte abholzen lassen, hatten ihm sechshunderttausend Francs eingebracht; wenn er dieser Summe die Einnahme, die er durch Verkauf seiner Pappeln gewonnen hatte, und seine Einkünfte des vergangenen und des laufenden Jahres hinzufügte, so hatte er, abgesehen von den zweihunderttausend Francs aus dem eben abgeschlossenen Handel, eine Summe von neunhunderttausend Francs. Die zwanzig Prozent, die in kurzer Zeit mit den Staatspapieren zu gewinnen waren, deren Kurs gegenwärtig bei sechzig Francs stand, lockten ihn. Er machte seine Berechnungen auf den Rand der Zeitung, die den Tod seines Bruders bekanntmachte, und schrieb und rechnete, ohne der Seufzer seines Neffen zu achten, die von Zeit zu Zeit an sein Ohr schlugen.
Nanon kam und klopfte an die Mauer, um Monsieur aufzufordern, zum Mittagessen hinunterzukommen. Auf der untersten Treppenstufe angekommen, sagte Grandet zu sich selber: »Da ich dabei viel gewinnen kann, werde ich die Sache machen. In zwei Jahren habe ich dann eine Million fünfhunderttausend Francs, die ich in gutem Golde aus Paris zurückziehen kann.« – »Nun, wo ist denn mein Neffe?« fügte er laut hinzu.
»Er sagt, er mag nicht essen«, erwiderte Nanon. »Das ist doch ungesund.«
»Aber sparsam«, entgegnete ihr Gebieter.
»Gewiß, ja«, sagte sie.
»Bah! er wird schon aufhören zu weinen. Der Hunger treibt selbst den Wolf aus dem Wald.«
Das Mittagmahl verlief auffallend schweigsam.
»Mein lieber Mann«, sagte Madame Grandet, als der Tisch wieder abgedeckt war, »wir müssen Trauer anlegen.«
»In der Tat, Madame Grandet, Sie wissen wohl gar nicht, was Sie anstellen sollen, um Geld auszugeben? Die Trauer liegt im Herzen, nicht in den Kleidern.«
»Aber die Trauer für einen Bruder ist unerläßlich, und die Kirche gebietet . . .«
»Kaufen Sie sich Ihre Trauerkleider von Ihren sechs Louis. Mir genügt ein Kreppstreifen.«