Sie schwiegen wieder. Eugénie handhabte die Nadel mit einer Regelmäßigkeit, die einem aufmerksamen Beobachter verraten hätte, in welch tiefen Gedanken sie war. Der erste Wunsch dieses herrlichen Mädchens war der, die Trauer ihres Cousins zu teilen.
Gegen vier Uhr ertönte ein roher Hammerschlag an die Haustür und hallte nach im Herzen Madame Grandets.
»Was hat dein Vater nur?« sagte sie zu ihrer Tochter.
Der Weinbauer trat ein; er war vergnügt. Nachdem er die Handschuhe ausgezogen hatte, rieb er sich die Hände, so gewaltig, als wolle er die Haut abwetzen; doch die Haut seiner Hände war gegerbt wie russisches Leder, jedoch ohne den Geruch von Lärchenholz und Weihrauch. Er schritt auf und ab, er sah nach der Uhr. Schließlich entschlüpfte ihm sein Geheimnis.
»Frau«, sagte er, ohne zu stottern, »ich habe sie alle gefaßt. Unser Wein ist verkauft! Die Holländer und Belgier sind heute früh abgereist; ich spazierte vor ihrem Gasthof auf und ab und stellte mich recht einfältig. Da ist es mir, wie immer, geglückt. Die Besitzer aller guten Weingärten wollen ihre Ernte noch nicht hergeben, sie wollen warten; ich habe sie nicht gehindert. Unser Belgier war verzweifelt; das habe ich gesehen. Abgemachte Sache also: er nimmt unsere Ernte zu zweihundert Francs das Stückfaß, die Hälfte in bar. Man zahlt mir in Gold. Die Wechsel sind ausgestellt; hier sind sechs Louis für dich. In drei Monaten werden die Weinpreise sinken.«
Diese letzten Worte sagte er ruhig, doch so ironisch, daß die Leute von Saumur, die gerade auf dem Stadtplatz in Gruppen beieinander standen und von der Nachricht des Grandetschen Verkaufs niedergeschmettert waren, ein Schaudern erfaßt haben würde, wenn sie sie vernommen hätten. Ein panischer Schrecken hätte die Weine um fünfzig Prozent sinken lassen.
»Sie haben dies Jahr tausend Stückfaß, lieber Vater?« sagte Eugénie.
»Ja, Töchterchen.« Diese Bezeichnung war der Superlativ der Freudenäußerungen, deren der alte Böttcher fähig war.
»Das macht also zweihunderttausend Zwanzigsousstücke?«
»Jawohl, Mademoiselle Grandet.«
»Nun, Vater, dann ist es Ihnen ein leichtes, Charles zu unterstützen.«
Das Erstaunen, der Zorn, die Verblüffung Belsazars, als er das ›Mene-Tekel-Upharsin‹ gewahrte, sind nichts im Vergleich mit der eisigen Wut Grandets, der gar nicht mehr an seinen Neffen gedacht hatte und ihn nun im Herzen und in den Gedanken seiner Tochter eingenistet fand.
»So, so! Seit dieser Zierbengel den Fuß in mein Haus gesetzt hat, geht hier alles drunter und drüber. Ihr maßt euch an, Zuckerzeug zu kaufen, und denkt an Hochzeit und Festlichkeiten. Ich wünsche dergleichen Dinge nicht! Ich bin alt genug, um zu wissen, wie ich mich zu benehmen habe. Ich brauche mich weder von meiner Tochter noch von sonst jemandem belehren zu lassen. Ich werde für meinen Neffen tun, was zu tun angebracht ist; ihr habt da nicht die Nase hineinzustecken. Was dich angeht, Eugénie«, fügte er, zur Tochter gewendet, hinzu, »sprich mir nicht mehr von ihm, sonst schick ich dich mit Nanon nach der Abtei von Noyers; gib acht, ob ich's nicht tue – und spätestens morgen, wenn du widersetzlich bist. Wo ist er denn, der Bursch? Ist er heruntergekommen?«