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欧也妮葛朗台-Eugénie Grandet 42
日期:2018-08-10 08:25  点击:261
›Ich bin nicht schön genug für ihn!‹ das war Eugénies Gedanke – ein demütiger und schmerzensreicher Gedanke. Das arme Mädchen ließ sich keine Gerechtigkeit widerfahren. Aber die Bescheidenheit, oder besser die Besorgnis ist eine der vornehmsten Tugenden der Liebe. Eugénie war kräftig entwickelt, wie die Kinder der Kleinbürger das häufig sind. Ihre Schönheit hatte etwas Gewöhnliches; aber obschon sie der Venus von Milo glich, war ihre Erscheinung von jener Milde christlichen Gefühls durchdrungen, die die Frau läutert und ihr einen den antiken Skulpturen mangelnden Adel verleiht. Sie hatte einen sehr großen Kopf, die männliche, doch zarte Stirn des Jupiters von Phidias, und graue Augen, denen ihr keusches Leben, das sich in ihnen ganz enthüllte, einen schimmernden Glanz verlieh. Ihr rundes, früher rosig frisches Gesicht hatte durch Pockennarben, die allerdings kaum sichtbar waren, etwas Derbes bekommen und seine Samtweiche verloren; trotzdem war ihre Haut noch immer so zart und fein, daß der sanfte Kuß ihrer Mutter sie sofort rötete. Ihre Nase war ein wenig zu stark, aber sie harmonierte mit einem tiefroten Mund, dessen mit tausend feinen Fältchen gezeichnete Lippen voller Liebe und Güte waren. Der Nacken hatte eine vollendete Rundung; der gewölbte, sorgsam verschleierte Busen lockte das Auge und verführte zum Träumen. Ihrer Kleidung freilich fehlte ein wenig leichte Anmut; aber ein Kenner würde in der herben Festigkeit dieser hohen Gestalt einen besonderen Reiz gefunden haben. Groß und stark, wie Eugénie war, hatte sie also nichts Hübsches im landläufigen Sinne, aber sie war von einer gewissen Schönheit, in die sich Künstler verlieben. Der Maler, der hier auf Erden nach dem himmlisch reinen Typ einer Maria sucht, der beim weiblichen Geschlecht die still vertrauenden Augen sucht, die Raffael malte, und jene meist nur visionär erschauten jungfräulichen Züge, die ein wahrhaft christliches und keusches Leben aber auch in Wirklichkeit schaffen kann – dieser Maler, verliebt in ein so seltenes Modell, würde ganz unerwartet im Antlitz Eugénies den angeborenen unbewußten Adel gefunden haben; er hätte unter einer ruhevollen Stirn eine Welt von Liebe erblickt, und im Schnitt der Augen, in der Form der Lider etwas Göttliches. Ihre Züge, die Konturen ihres Kopfes, die der Ausdruck der Lust niemals erregt oder ermüdet hatte, glichen den Linien des Horizonts, die sanft in weite, stille Seen tauchen. Dies ruhige, frische, lichtumrahmte Antlitz, das wie eine jungerschlossene Blüte war, erquickte die Seele durch seine Gewissensruhe und lockte die Augen. Eugénie stand noch am Ufer des Lebens: da blühen noch die Kindheitsillusionen und die einfältigen Maßliebchen mit all der Köstlichkeit, die später nicht mehr ist. Daher konnte sie sich, als sie sich so im Spiegel betrachtete und von Liebe noch nichts wußte, sagen: ›Ich bin zu häßlich, er wird mich nicht beachten!‹
 
Dann öffnete sie die Tür ihres Zimmers, die zur Treppe führte, und lauschte mit vorgebeugtem Kopf, ob sich noch nichts im Hause rege.
 
›Er steht nicht auf‹, dachte sie, als sie Nanons Morgenhüsteln vernahm und hörte, wie sie kam und ging, den Saal fegte, Feuer im Küchenherd machte, den Hund an die Kette legte und mit den Tieren im Stall redete.
 
Sogleich ging Eugénie hinunter und lief zu Nanon, die die Kuh melkte.
 
»Nanon, meine gute Nanon, mach doch etwas Rahm für den Kaffee meines Cousins.«
 
»Aber Mademoiselle, das hätte gestern geschehen müssen«, sagte Nanon, in helles Lachen ausbrechend. »Ich kann jetzt keinen Rahm machen. Ihr Cousin ist reizend, reizend . . . wirklich ganz reizend. Sie hätten ihn gestern sehen sollen in seinem Schlafrock aus Gold und Seide. Ich habe ihn gesehen, wahrhaftig! Seine Wäsche ist so fein wie das Chorhemd von Monsieur le Curé.«
 
»Nanon, geh, mach uns doch einen Brotkuchen.« 

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