Als ihre Toilette beendet war, hörte sie die Kirchenuhr schlagen und verwunderte sich, nicht mehr als sieben Schläge zu vernehmen. Der Wunsch, genügend Zeit zu haben, um sich sorgfältig anzukleiden, hatte sie zu früh aus dem Bett getrieben. Da sie die Kunst nicht kannte, eine Haarlocke zehnmal anders zu legen und die Wirkung zu prüfen, setzte sie sich ans Fenster, kreuzte zufrieden die Arme und blickte in den Hof, auf den engen Garten und die Terrassen, die diesen abschlossen.
Das alles sah melancholisch und eng aus, entbehrte aber nicht jener eigenartigen Schönheit, die eine Eigentümlichkeit öder Landschaften und ungepflegter Gärten ist. Nahe bei der Küche befand sich ein von großen Steinen eingefaßter Brunnen, dessen Zugwinde von einem eisernen Bogen herabhing. Diesen Eisenreifen hatte eine Rebe sich zur Stütze ausersehen, und sie umschlang ihn mit welken, schlaffen, rot verdorrten Armen, denn es war Herbst. Von da schwang sich die biegsame Ranke zur Hausmauer, lief am ganzen Hause entlang und landete auf einem Holzschuppen, wo das Holz so ordentlich aufgeschichtet lag wie etwa der Bücherschatz eines Bibliophilen.
Das Pflaster des Hofes wies dunkle Flecke auf: Moos und Grasbüschel oder Unebenheiten des Bodens. Die starken Mauern zeigten ihr grünes, stellenweise braun geflecktes Kleid, und die acht Treppenstufen, die von der Tiefe des Hofes zur Gartentür hinaufführten, waren zerbrochen und ganz begraben unter hohen Pflanzen – wie das Grab eines Ritters, den seine Witwe zur Zeit der Kreuzzüge beerdigt hatte. Über einigen ausgehöhlten verwitterten Steinen erhob sich ein von der Zeit morsches Lattentor, das kaum noch in den Angeln hing, aber von allerlei Schlinggewächs üppig umrankt war. Die beiden Seiten der Tür wurden von den gewundenen Ästen zweier verkrüppelter Apfelbäume eingerahmt. Drei parallel laufende, kiesbestreute Wege trennten die von Buchsbaum eingefaßten Beete; am Ende der Gartenterrasse erhoben sich ein paar schattige Lindenbäume. An der einen Seite standen Himbeerbüsche, an der andern ein riesiger Nußbaum, der seine Äste bis über das Arbeitszimmer des Böttchers breitete. Ein klarer Tag und die an den Ufern der Loire so liebliche Herbstsonne begannen den Reif zu schmelzen, mit dem die Nacht dies malerische Bild, das Mauerwerk und die Pflanzen im Hof und im Garten behangen hatte.
Doch dann erfaßte die zage Seele ein Sturm. Sie erhob sich wiederholt, trat vor den Spiegel und betrachtete sich prüfend, wie ein gewissenhafter Autor sein Werk betrachtet, um sich in ihm zu kritisieren und sich selber Grobheiten zu sagen.